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Stefan Weber, der Direktor des Museums für islamische Kunst und Gastgeber der „Roads of Arabia“.

© dapd

Ausstellung "Roads to Arabia": Wandel durch Annäherung hat schon einmal nicht funktioniert

Das Berliner Pergamonmuseum zeigt ab Donnerstag vorislamische Schätze aus Saudi-Arabien. Sollen Museen mit Diktaturen kooperieren? Wie weit geht der Wandel durch Annäherung?

Seit einem Jahr boomen die archäologischen Ausstellungen im Berliner Pergamonmuseum. „Tell Halaf“ hatte 750.000 Besucher, „Pergamon“ zählte nach zwei Monaten 250.000 verkaufte Tickets, und in der kommenden Woche folgt „Roads of Arabia“. Je unübersichtlicher die politische Gemengelage in den Herkunftsländern wird, je mehr sich Ländergrenzen in einer globalisierten Welt verwischen und die Zukunft ungewiss erscheint, umso stärker sucht das Publikum offenbar Orientierung in der Vergangenheit und schwelgt in den Schätzen untergegangener Kulturen. Der Blick zurück hilft, Fragen nach dem Morgen zu vermeiden – könnte man meinen.

Dass dies nicht gelingen kann, führt gerade die Ausstellung „Roads of Arabia“ vor Augen, die am Mittwochabend im Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum von seiner Königlichen Hoheit Prinz Sultan bin Abdulaziz al Saud, dem Präsidenten der saudischen Tourismus- und Altertümer-Behörde, eröffnet wird. Eine Prachtschau wird es sein, ein Publikumsmagnet: Nie zuvor wurden Objekte der Kaaba und der Stadtgeschichte von Mekka und Medina in Deutschland gezeigt. Auf den titelgebenden Routen führen Handels- und Pilgerreisen vor Tausenden von Jahren in den Orient, ins Zeitalter der Antike und die islamische Frühzeit. Die spektakuläre Schau wurde zuvor im Pariser Louvre, in der Eremitage St. Petersburg und in Barcelona präsentiert. Laut „Arab News“ haben über eine Million Menschen die Ausstellung an den bisherigen Stationen gesehen. Ali bin Ibrahim al Ghaban, der Vizepräsident der Altertümer-Behörde, rechnet in Berlin mit einer halben Million Besucher.

Da liegt also ein fliegender Teppich in Berlin bereit. Und doch will das Abheben in Traumwelten nicht recht gelingen. Glamouröse Vergangenheit und brutale Gegenwart, Kunst und Politik lassen sich nicht so einfach voneinander scheiden. Prinz Sultan ist die inoffizielle Nummer vier in der Hierarchie, die der 87-jährige König Abdullah in Saudi-Arabien anführt. In einem Land, in dem die Scharia gilt, Frauenrechte missachtet werden, die Opposition unterdrückt wird und es keine Presse- und Meinungsfreiheit gibt. Als Berlins Regierender Bürgermeister vor einem Jahr mit einer Wirtschaftsdelegation nach Saudi-Arabien reiste, wurde er zu Hause scharf kritisiert. Wie zur Bestätigung der Mahner entsandte Saudi-Arabien bald darauf eine tausend Mann starke Truppe nach Bahrein, um den dortigen Aufstand schon im Keim niederzuschlagen. Und das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte meldete kürzlich, dass die Zahl der Todesurteile 2011 sprunghaft angestiegen sei. Es waren 79.

So stellt sich die Frage, ob kulturelle Kooperationen und gemeinsame Ausstellungen mit einem solchen Land, mit Diktaturen, Unrechtsregimen und Schurkenstaaten überhaupt statthaft sind. Stefan Weber, der Direktor des Museums für islamische Kunst und Gastgeber der „Roads of Arabia“, beantwortet sie mit Ja. Zwar bekam er zu spüren, wie die saudische Botschaft Einfluss zu nehmen versuchte, um die Berliner Ausstellung für eine Imagekampagne zu nutzen. Gegen mögliche Propaganda wehrte er sich mit dem steten Hinweis, es gelte hier der Kunst und der Wissenschaft. Wer jedoch im Katalog blättert, der stößt auf Beiträge, in denen das Königshaus auffallend offiziös dargestellt wird. Die Ausstellung selbst versucht es mit einem Kompromiss: Hier endet die Landesgeschichte mit den 1930er Jahren, der Gründungsphase des Königreichs.

Stefan Weber verteidigt sein Projekt. „Wenn wir alles auf die politische Ebene schieben, haben wir von vorneherein verloren“, sagt er. Mit Michael Eissenhauer, dem Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, gehörte er 2011 zu Wowereits Delegation. Damals unterschrieb er nicht nur den Leihvertrag mit den offiziellen Stellen, sondern machte in Saudi-Arabien auch Sponsorenakquise. Berlin zahlt zwar ein Drittel des 820.000 Euro teuren Unternehmens mithilfe von Lottogeldern, deutsche Unternehmen wollten sich aber nicht beteiligen. Weber musste lange nach Geldgebern suchen, die Berliner Ausstellung findet später statt als zunächst geplant.

Die Partner aus dem Westen hoffen auf eine Liberalisierung des Landes. Das ist schon einmal schief gegangen.

Nicht zuletzt möchte er mit der Präsentation der arabischen Schätze auch die noch junge saudische Altertümer-Behörde unterstützen, die erst seit 2003 systematische Grabungen betreut und sich um die Sicherung und Dokumentierung archäologischer Stätten kümmert, insbesondere aus vorislamischer Zeit. Religiöse Hardliner in der Regierung würden diese am liebsten zerstören. Prinz Sultan als Präsident der Behörde gehört zum liberalen Flügel und hält seine schützende Hand darüber. Ziel der Behörde ist die Aufnahme der wichtigsten Fundorte in die Liste des Unesco-Kulturerbes – und die Öffnung der Stätten für Touristen.

Internationale Grabungskampagnen, wissenschaftlicher Austausch, gemeinsame Ausstellungsprojekte, das sind die Elemente eines interkulturellen Dialogs, der am Ende auch zu einer Liberalisierung im Lande führen soll. So hoffen es jedenfalls die Partner im Westen. Stolz erklärt Präsident Hermann Parzinger im Vorwort des Katalogs, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz damit einen wesentlichen Beitrag zur Außenkulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland in der Region leistet.

Bei der Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung“ 2011 in Peking ging dies allerdings gründlich schief. Die Kultur als „soft power“ wurde böse vorgeführt: Ai Weiwei, Chinas prominentester Künstler und Regimekritiker, hatte die Schau im neuen Nationalmuseum auf dem Tiananmenplatz kurz zuvor noch „eine Form der Anbiederung“ genannt. Zwei Tage nach der Eröffnung wurde er verschleppt und blieb für drei Monate ohne Angabe von Gründen an einem unbekannten Ort inhaftiert. Ein Sturm der Entrüstung brach los. Nobelpreisträgerin Herta Müller geißelte die Ausstellungsmacher, sie hätten Kant, den großen Aufklärer, zur Staffage eines schlechten Staatstheaters gemacht. Neben Solidaritätskampagnen für Ai Weiwei kam auch die Forderung nach Schließung der mit 10 Millionen Euro bislang teuersten Ausstellung deutscher Museen im Ausland auf, finanziert vom Auswärtigen Amt und deutschen Unternehmen.

Die drei Museumsdirektoren aus Berlin, München und Dresden bemühten sich um Schadensbegrenzung. Klaus Schrenk, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, erklärte trotzig, die Kultur fordere solche Nagelproben heraus: „Man muss sich ihnen stellen.“ Michael Eissenhauer gestand ein, dass zu Beginn der Planungen in China ein liberalerer Geist geherrscht habe – mit der Arabellion fürchtete die chinesische Regierung Unruhen auch im eigenen Land. Nur Martin Roth von der Staatlichen Kunstsammlung Dresden attackierte „diese intellektuell eindimensionalen Scheuklappen beim Blick auf China und auf uns selbst“. Heute leitet er das Victoria-and-Albert Museum in London und springt seinem Kollegen Neil McGregor bei, der für das British Museum in Teheran mit Ahmadineschad eine Ausstellung eröffnet hat.

Wo verläuft die Linie? Wie viel Kollaboration verträgt eine Kooperation? Wann verbiegt man sich beim „Wandel durch Annäherung“? Die Ausstellung in Peking dauert noch bis Ende März; mit bislang 230.000 Besuchern bleiben die Publikumszahlen weit hinter den Erwartungen zurück. Und in Berlin beginnt Ende Januar mit viel Musik das Kulturjahr Chinas in Deutschland. In einem gemeinsamen Schreiben hatten die drei angegriffenen Direktoren erklärt, der Dialog dürfe nicht allein der Wirtschaft und Politik überlassen werden. Ob China oder Saudi Arabien, wenn die Kultur den Dialog führt, wiegt die Frage der Freiheit noch mehr.

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