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Ausstellung: Tauschgeschäfte unter Kollegen

Nur selten geben Künstler Einblicke in die eigene Sammlung. In der Ausstellung in der Berliner Kunsthalle Koidl ist dies anders. Das Spektrum reicht von einer Kohlezeichnung Richard Artschwagers aus den sechziger Jahren bis zu Wiebke Siems „Nudelholzhund“ von 2010.

Verborgene Schätze hinter den Türen privater Sammler möchte die Kunsthalle Koidl heben. Aktuell widmet sie sich einer besonderen Spezies: dem sammelnden Künstler. Agiert er mit Leidenschaft, Intuition oder mit Kalkül? Verfügt er über mehr Sachverstand? Geht es um fremde Sichtweisen, oder bestätigt die Kunst der anderen nur die eigene Position?

Solchen Fragen geht die aktuelle Schau in der Halle anhand der Kollektionen von Mona Hatoum, Karin Sander und Arturo Herrera nach und eröffnet bisweilen Verblüffendes. Wer hätte gedacht, dass die für ihre subtil politischen Installationen bekannte Mona Hatoum ein Faible für Jeff Koons hat? Wer würde im Wohnzimmer der Konzeptkünstlerin Karin Sander den farbenfrohen Anselm Reyle vermuten?

Dass Künstler Interesse an der Arbeit ihrer Kollegen hegen, ist nicht abwegig. Umso erstaunlicher, dass sich Institutionen und Kuratoren jenes Themas bislang selten annehmen. „Es gab die Sammlung von Henry Moore im New Yorker Drawing Centre“, weiß die Leiterin der Kunsthalle Koidl, Christine Nippe. „Aber sonst wurde die Rolle des Künstlersammlers kaum erforscht.“ Georg Baselitz offenbarte seine Passion für afrikanische Kunst 2003 mit einer Ausstellungstour. Das Museum für Indische Kunst präsentierte 1992 die Sammlung indischer Miniaturen des Malers Klaus Fußmann. Doch was Künstler von ihren Zeitgenossen sammeln, wird in der Tat selten öffentlich. Vorreiter war einmal mehr Damien Hirst: 2006 zeigte die Londoner Serpentine Gallery dessen „Murderme Collection“. Parallel ließ Hirst, der Künstler und Unternehmer, seine auf 100 Millionen Pfund geschätzte Sammlung gleich als Firma ins Handelsregister eintragen.

Obwohl man sich in der Kunsthalle Koidl bescheidener gibt, sind auch hier klangvolle Namen wie Sophie Calle, Bridget Riley oder Ed Ruscha vertreten. Das Spektrum reicht von einer Kohlezeichnung Richard Artschwagers aus den sechziger Jahren bis zu Wiebke Siems wunderbar skurrilem „Nudelholzhund“ von 2010. Jeff Koons „Puppy“ hat Mona Hatoum im Internet ersteigert: Bei einer Auflage von 3000 Stück mag das weiße Porzellanhündchen erschwinglich gewesen sein. Aber Kaufpreise werden natürlich nicht genannt. Ohnehin sind viele der Arbeiten in einer ‚marktfreien Zone’ zwischen den Ateliers gewechselt. Im Zeichen von Freundschaft und gegenseitiger Anerkennung ist das symbolische Kapital wichtiger als der Marktwert. Galeristen wissen um diesen Tauschhandel und akzeptieren ihn. Sigmar Polkes 14 Offset-Lithografien „… höhere Wesen befehlen“, 1968 nach Fotografien gedruckt, tauschte die palästinensisch-britische Künstlerin sogar direkt mit dem Galeristen René Block.

Die Initialzündung zur Ausstellung gab ein Besuch bei Herrera. Eigentlich wollte Christine Nippe Werke für die Prager Biennale auswählen, deren Malereisektion sie leitet. Im Atelier staunte die Kuratorin dann über die stattliche Sammlung des 1959 in Venezuela geborenen Malers, der neben Artschwager und Ruscha auch Raymond Pettibons Siebdruck „Recital“ oder Kara Walkers Papierarbeit „In the Dark“ besitzt. „Herrera hat das Sammeln sehr professionalisiert“, sagt Nippe. „Mit einem eigenen Lager und akribischem Archiv. Mit Ordnern zum Stöbern, Infos und Fotos zu jedem Kunstwerk.“

Während bei Herrera, der 2009 von New York nach Berlin zog, der lokale Bezug zu US-Künstlern auffällt, spiegeln die Sammlungen von Hatoum und Sander zugleich Netzwerke und Freundschaften. „Indian Elephant“, ein Geschenk von Ayse Erkmen, war Sanders erstes Sammlerstück. Mit einer Arbeit ihres ehemaligen Studenten Paul Darius wird eine weitere Rolle tangiert: die des Künstlers als Nachwuchsförderer. Hart verhandelt wurde um Thomas Ruffs großes „Portrait V. Liebermann“ (1999). Da wäre ein Vergleich der Tauschobjekte, einer von Sanders „3D-Body-Scans“, spannend gewesen.

Als einziger Künstlersammler auch mit einem eigenen Werk vertreten ist Herrera mit „Pan 6“ aus dem Besitz von Mona Hatoum. Ob es sich um einen verformten Aluminiumtopf handelt, um ein fragmentarisches Porträt des Hirtengottes oder um Peter Pan, bleibt offen. Dem Mythos des Künstlersammlers gibt die Ausstellung in jedem Fall eine erfrischende Gestalt – ein wenig Peter Pan steckt schließlich in jedem Sammler.

Kunsthalle Koidl, Gervinusstraße 34, bis 12. Juni; Di–Fr 11–18 Uhr, Sa 11–16 Uhr.

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