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Das von Kaden Klingbeil entworfene Wohnhaus E3 in der Esmarchstraße in Prenzlauer Berg besteht innen komplett aus Holz.

© Bernd Borchardt

Ausstellung über das Bauen mit Holz: Das Potential hinter der Rinde

Tradition trifft High-Tech: Die Ausstellung „Bauen mit Holz“ im Martin-Gropius-Bau rückt den von vielen Architektur-Größen verschmähten Werkstoff ins Zentrum.

Auf dem Monte Rosa bei Zermatt hockt auf 2880 Metern Höhe ein futuristisches Gebäude, halb silbriger Kristall, halb futuristische Raumstation. Nur per Hubschrauber versorgt, bietet es in den Sommermonaten 120 bergverrückten Alpinisten Obhut. Das asymmetrische Volumen wurde mit Hilfe von Computerprogrammen klimatisch optimal an seine Extremlage angepasst. Unter der Aluhülle jedoch verbirgt sich einer der traditionellsten Werkstoffe: Die Monte Rosa Hütte ist komplett aus Holz gebaut. Schon immer wurde im Alpenraum mit Holz gebaut. Aber doch nicht so!

Was internationale Architekten seit einigen Jahren mit dem nachwachsenden Traditionsbaustoff zustande bringen, zeigt der Martin-Gropius-Bau anhand von 60 Modellen sowie Fotos und Filmen. Das jüngste Projekt wird gerade in Vancouver fertiggestellt und ist ein echtes Renommierstück, obgleich knapp kalkuliert für Minimalstandard: Das Hochhaus soll 400 Studenten beherbergen und zugleich die Leistungsfähigkeit der kanadischen Holzwirtschaft unter Beweis stellen. 18 Stockwerke ragt die Holzkonstruktion empor. Noch nie wurde mit Holz so gewagt in die Höhe gezimmert. Neue Fertigungstechniken, computergestützte Entwurfsverfahren und innovative Ideen haben den klassischen Holzbau revolutioniert.

Hauptsponsor der vom Münchener Architekturprofessor Hermann Kaufmann kuratierten Schau „Bauen mit Holz“ ist die Bundesstiftung Umwelt. Denn auch die Ökobilanz von Holz ist perfekt, dank bester Wärmedämmeigenschaften, kurzer Transportwege, nachwachsender Ressourcen. Ein Geruch von urigem Handwerk durchzieht die gesamte Ausstellung. Gemütlich, wohlig.

Holzhimmel. Das Elefantenhaus des Züricher Zoos.
Holzhimmel. Das Elefantenhaus des Züricher Zoos.

© Andreas Buschmann

Doch für Traditionalisten ist die neue Holzklasse nichts. Schon das erste Ausstellungskapitel zum Thema Wald kommt cool in geometrischem Rasterdesign daher. Statt romantisches Outdoorfeeling zu generieren, zeigten die Macher anhand von Zahlen, Statistiken und Schaubildern, welche Potenziale hinter der Baumrinde stecken. Allein ein Drittel der deutschen Holzernte würde ausreichen, um sämtliche Neubauten hierzulande zu errichten. Aber Holz rückt erst langsam, und zwar von Süden her, nämlich aus Bayern, wieder ins Bewusstsein der jüngeren Architektengeneration.

Sogar in Berlin hat sich der neue Hang zum Holz, fast unbemerkt, bereits mitten im Mietskasernenkiez eingewurzelt. In der Esmarchstraße 3 im Prenzlauer Berg fügt sich ein Wohnhaus mit weißen Fassaden, großzügigen Fenstern und stählernen Balkonbrüstungen ins urbane Ambiente. Clever trickste der preisgekrönte Bau von Kaden Klingbeil die Bauordnung aus. Sie limitiert eigentlich innerstädtische Holzbauten in Berlin aus Brandschutzgründen auf 13 Meter Traufhöhe. Hier jedoch rückt ein offenes Stahlbetontreppenhaus den Siebenstöcker vom Nachbarhaus ab. Dass dieser elegante Neubau ein Holzhaus ist, sieht man ihm nicht an.

Viele der neuen Bauprojekte verbergen ihre Holzkonstruktion dezent im Inneren, statt nach außen aufzutrumpfen. Insofern täuscht die einheitliche Optik der ausgestellten Modelle, die Münchener Studenten komplett aus unbehandeltem Holz gebastelt haben. Realiter ginge so etwas nicht. Denn wo die Witterung auf das Holz trifft, beginnt das Problem. Während im Inneren eines Gebäudes gut durchgetrocknetes Holz durch heutige Verarbeitungstechnologien praktisch ewig hält, nagen außen Wind und Wetter. Chemischer Holzschutz, so Kurator Hermann Kaufmann, sei mittlerweile obsolet. Eher schon entdeckt man altbewährte Strategien neu. Die Außenhaut der experimentell gefalteten Kapelle im Schweizer Pompaples kann ausgetauscht werden, sobald sie verrottet ist. Ähnlich wie bei einem klassischen Holzschindeldach.

Pioniere des Neuen Bauens verschmähten das Holz

Die Pioniere des Neuen Bauens von Gropius bis Le Corbusier verschmähten den Werkstoff Holz, liebten Glas, Stahl und Beton als Signum einer industriellen Zukunft. Die Ressourcenverknappung drängt mittlerweile weltweit zum Umdenken. Im kurzfristigen Preiswettkampf hat Holz zwar derzeit noch das Nachsehen. Aber das könnte sich ändern. Ausgerechnet einen Bahnhof im Londoner Neubauviertel Canary Wharf hat Norman Foster mit einer Holzkonstruktion überspannt. Zwischen den verleimten Schichtholzträgern blähen sich transparente Kunststoffkissen.

Noch mehr Spannweite wagte Stararchitekt Toyo Ito bei seiner 178 Meter langen Baseballhalle im japanischen Odate. Ihre asymmetrische Kuppelform ist aus der Flugkurve eines Baseballs entwickelt und in Zedernholz konstruiert. Spektakulär wirkt auch die Kölner Immanuelkirche von Sauerbruch Hutton. Hinter dem Altar flimmert ein fragiler Vorhang aus farbigen Holzlamellen. Der auratische Raum war der erste Sakralbau des renommierten Duos.

Die Buche als Baum der Zukunft

Auch profanere Bauaufgaben erfordern Erfindergeist. Garmisch-Partenkirchens neues Finanzamt konnte dank kluger Holzkonstruktion in Kurzzeit und mit 50 Prozent reduzierter Klimabilanz errichtet werden. Selbst eine schnöde Reihenhaussiedlung der 50er Jahre lässt sich, trotz schwacher Fundamente, mit einer leichten Holzkonstruktion noch um zwei Etagen aufstocken, um innerstädtischen Wohnraum zu gewinnen. Der Wohnsiedlung Treehouses in der Hamburger Bebelallee steht das gut zu Gesicht. Überraschend stylisch kleidet sich das modernisierte Ensemble in eine fein strukturierte Außenhaut aus Holzschindeln.

Als Baum der Zukunft nimmt die Architektenzunft übrigens neuerdings die Buche in den Blick. Früher konnte man deren extrem hartes Holz kaum kleinkriegen. Moderne Fräsen beißen sich daran nicht mehr die Zähne aus. Wie dieser Rohstoff nachhaltig erzeugt werden kann, führt die deutsche Forstwirtschaft seit Jahrhunderten vor. Das Reservoir in den Wäldern ist groß. Und viel zu schade nur zum Verheizen.

Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, bis 15. Januar, Mi–Mo 10–19 Uhr. Katalog 29,95 €.

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