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Ausstellung: Völkerwanderung zwischen Atlantik und Ural

Die Ausstellung gilt als Sensation: "Merowingerzeit - Europa ohne Grenzen" zeigt ab März hunderte verloren geglaubte Kunstschätze in Moskau und St. Petersburg. Rund 600 Exponate sind deutsche Kriegsbeutestücke.

Berlin - Die Ausstellung thematisiert erstmals umfassend die Zeit der Völkerwanderung aus dem Gebiet zwischen Atlantik und Ural. Präsentiert werden Funde zur Kultur der Hunnen, Goten, Alanen, Elbgermanen, Alemannen, Bajuwaren, Franken, Romanen, Ost- und Westgoten sowie der Langobarden. Das Besondere daran ist jedoch: Rund 600 Exponate sind deutsche Kriegsbeutestücke, die 1945 nach Russland gelangten und seitdem nicht mehr zugänglich waren.

"Bis 2003 wusste noch nicht mal jemand von ihrer Existenz", sagt die Kustodin am Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, Marion Betram. Die Beutekunst-Objekte lagern in den Depots im Puschkin-Museum und im Historischen Museum in Moskau sowie in der Eremitage in St. Petersburg. Während der Ausstellungsvorbereitungen erhielten deutsche Wissenschaftler erstmals Zugang zu den Depots.

Insgesamt werden in der Schau über das frühmittelalterliche Europa mehr als 1100 Exponate ausgestellt: Neben den 600 Kriegsbeutestücken gehören weitere Objekte aus der Eremitage und dem Historischen Museum sowie aus der Berliner Sammlung dazu. Die meisten Stücke sind Gold-, Silber- und Edelsteinfunde. Sie werden vermutlich unrestauriert gezeigt. Bertram befürchtet, dass besonders die eisernen Gürtelbeschläge und Schmuckstücke aus der Eremitage in einem "konservatorisch bedenklichen" Zustand sein könnten.

Streit um Beutekunst wird ausgeklammert

Die Objektauswahl wurde von Deutschen und Russen gemeinsam getroffen. Über diese Zusammenarbeit sagt der Direktor des Berliner Museums für Vor- und Frühgeschichte, Wilfried Menghin: "Die Atmosphäre unter den Kollegen ist fast freundschaftlich." Auf der Arbeitsebene werde vertrauensvoll zusammengearbeitet und "das Politische komplett ausgeklammert" - "sonst würde gar nichts gehen". Das "Politische" ist der festgefahrene Streit zwischen Deutschland und Russland um die Beutekunst. Laut internationalem Völkerrecht ist die Beschlagnahmung von Gütern aus einem besiegten Land nicht erlaubt. Damit würde die in Russland lagernde Beutekunst Deutschland gehören. Das russische Parlament erklärte die Kunstwerke jedoch per Gesetz zum nationalen Eigentum. In der Schau sollen die Beutekunstobjekte mit dem Zusatz "Kriegsbedingt verlagert. Bis 1945 Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin" ausgezeichnet werden.

Während in Russland an der Ausstellung gefeilt wird, laufen in Deutschland die Arbeiten am Katalog, der auf Deutsch, Russisch und Englisch erscheinen wird. Deutsche Kunstfans müssen sich mit dem Buchwerk zufrieden geben oder aber nach Moskau oder St. Petersburg reisen. Die Schau "Merowingerzeit - Europa ohne Grenzen" kann nicht in Deutschland gezeigt werden, da die Bundesrepublik dann die Beutekunstwerke nach deutscher Rechtsauffassung behalten müsste.

Eröffnung in drei Monaten

Die Merowinger-Ausstellung soll am 12. März in Anwesenheit von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) in Moskau eröffnet werden und bis 13. Mai laufen. Ab Mitte Juni ist sie dann für rund drei Monate in St. Petersburg zu sehen. Was danach mit den Beutekunstexponaten geschieht - ob sie etwa in die Depots zurückwandern - ist den Angaben zufolge noch offen. (Von Nadine Emmerich, ddp)

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