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Ausstellung: Wangechi Mutu: Böse Geister

Kunst der Collage: Wangechi Mutu in der Deutschen Guggenheim Berlin. Fantastischen Figuren mit klischeehaften Elementen.

Hannah Höch hätte ihre Freude an dieser Künstlerin gehabt. Knapp hundert Jahre, nachdem die Grande Dame des Dadaismus zusammen mit Grosz und Heartfield die Collage erfand, kehrt diese Methode nach Berlin zurück: frisch, packend, hoch ästhetisch, so zeitnah, als hätte es in der Kunst keine technische Revolte gegeben, keine Neuerfindung der Malerei.

Sogar thematisch stehen Hannah Höch und die 1972 in Kenia geborene Wangechi Mutu einander nah. Beide stellen Frauen dar, beide enthüllen den Blick auf das weibliche Geschlecht, indem sie ihre fantastischen Figuren mit klischeehaften Elementen aus der Welt der Hochglanzmagazine kombinieren: Beine in Netzstrümpfen, üppige Brüste, Lackstiefeletten, dazu chromblitzende Motoren, Früchte, Blumen, Tiere. Mutu bedient den voyeuristischen Blick, offeriert Sinnlichkeit, Exotik. Doch ebenso wie bei Höch kann sich der Betrachter des ungeteilten Vergnügens nie sicher sein. Schon nach kurzem Hinschauen erzeugt die menschliche Fragmentierung ein Grausen, schlägt Opulenz in Ekel um.

Die Ausstellung der heute in New York lebenden Afrikanerin zeigt noch in anderer Hinsicht, wie modern die Dadaisten damals waren. Ihre „Erste Dada-Messe“, die als eine der frühesten räumlichen Installationen Objekte und Bilder an der Wand kombinierte, war eine Schreckenshöhle. Auch derlei Schaurigkeiten finden sich in der Deutschen Guggenheim, doch damit enden die Gemeinsamkeiten.

Zur „Künstlerin des Jahres“ benannt

„My Dirty Little Heaven“ hat Wangechi Mutu ihre Ausstellung genannt. Die Wände sind mit Filz bezogen; an Schnüren hängen Flaschen von der Decke herab, aus denen Rotwein tropft, der in altmodischen Blechtellern gesammelt wird. Die Künstlerin ruft damit ihre Erinnerung an das Berlin der Wendezeit zurück. Als Gastschülerin aus Wales war sie in einer Ost-Berliner Familie einquartiert, die sich Abbildungen begehrter Luxusartikel aus Zeitschriften einfach an die Wand pinnte. Diese Einverleibung spiegelt sich auch in ihren Collagen wider. „My Dirty Little Heaven“ erweist sich als Gegenwelt, als Schutzraum, in dem sich Wunschbilder materialisieren und doch zu gefährlichen Wesen pervertieren. So wachsen den Mischwesen Mutus Tentakeln, die krakenhaft ins Leere greifen. Die als kleine Assemblagen eingefügten Perlen, Häufchen aus Goldglitter erscheinen wie bösartige Wucherungen. In den USA sind die Arbeiten der Künstlerin, die zugleich ein Bedürfnis nach Kitsch bedienen, hoch begehrt; mit ihrer Ausstellung in Berlin wird sie hierzulande erstmals umfangreich vorgestellt.

Die Deutsche Bank hat sie zu ihrer „Künstlerin des Jahres“ benannt; eine Etage des Hauptsitzes in Frankfurt soll später mit ihren Werken gestaltet werden. Das Bankhaus hat sich damit einen Störenfried ins Haus geholt, wenn auch einen attraktiven. Die Bilder der Künstlerin zeigen die Sehnsucht nach Schönheit, Glück, das nur bruchstückhaft erreichbar ist. Dahinter lauern schon die bösen Geister.

Deutsche Guggenheim Berlin, Unter den Linden 13, bis 13. Juni; täglich 10 bis 20 Uhr. Katalog 35 €.

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