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Ausstellung "Wien Berlin": Die Neue Frau

In Wien wurden die Damen verklärt und aufwändig dargestellt. In Berliner Porträts erscheinen sie eher nüchtern – hier waren sie häufig aktiver Teil der Kunstszene.

Frauen, die Gustav Klimt Modell standen, waren vom Ergebnis nicht immer begeistert. Obwohl der Maler sie schlank, schön und als „ewige Rätsel“ inszenierte, hätten sie sich lieber anders gesehen. Braver vielleicht, biederer, zumindest: gesellschaftlich auf eine diffuse Art verträglicher. Die Abneigung gegenüber Klimts Arbeit ging bei einigen Porträtierten so weit, dass sie die eigene Darstellung in die Abstellkammer verbannten.

Margarethe Stonborough-Wittgenstein beispielsweise, deren 1905 geschaffenes Porträt mittlerweile in der Neuen Pinakothek in München hängt, war so ein Fall. Ihr Bildnis zählt heute zu Klimts beeindruckendsten und konzentriertesten Arbeiten, in dem Geometrie und Naturalismus subtile Gegensätze bilden. Klimt und die Frauen, das war ohnehin eine Sache für sich: Er liebte sie, hatte gleichzeitig Angst vor ihnen, kam aber niemals von ihnen los. Unzählige Bücher, die sich mit seiner Biographie befassen, stellen nicht umsonst fest: „Frauen waren Klimts Thema.“

Diese Aussage traf natürlich nicht nur auf Klimt zu. Gerade auf dem Höhepunkt seines Schaffens um die Jahrhundertwende änderte sich das Frauenbild drastisch – sowohl im gesellschaftlichen Leben als auch in der künstlerischen Darstellung. Mit dem Aufkommen der Wiener und Berliner Secession waren sich Kunstsinnige beider Städte in ihrem „Kampf für Neues“ einig – gerade auch, was das Bild der Frau anging.

Obwohl Wiener und Berliner Künstler unterschiedliche Konzepte der Moderne verfolgten, beobachteten und inspirierten sie sich gegenseitig, insbesondere auf der III. Deutschen Kunstgewerbeausstellung 1906 in Dresden. Dort wurde gleichzeitig zum künstlerischen Dialog das Ende des Jugendstils besiegelt. Neue Leitbilder wie Sachlichkeit, Schlichtheit und eine gewisse Gediegenheit sollten die Kunst fortan dominieren.

In Wien hatte diese Moderne schon ab 1890 Einzug gehalten, als Oskar Kokoschka, Egon Schiele und Gustav Klimt sich vom reinen Naturalismus abwandten und sich Arbeiten aus dem Inneren des Menschen und seiner Psyche widmeten. 1897 gipfelte diese Gegenströmung zur bisherigen Kunst der K.-u.-k-Monarchie in der Wiener Secession: einer Künstlervereinigung, der auch Architekten wie Josef Plecnik und Dichter wie Hermann Bahr angehörten. Nur ein Jahr später gründete sich die Berliner Secession, auch sie eine Abspaltung von Künstlern, die nicht mehr dem akademischen Leitbild der zeitgenössischen Kunst folgen wollten.

Korsettzwang aufgehoben

Realistisch. So sollte die Kunst im Allgemeinen sein, so sollten auch Frauen endlich dargestellt werden. Die Damen mussten sich für Porträts nicht mehr in Korsetts pressen. Stattdessen sind die Frauendarstellungen der Wiener Secession geprägt von einem flächigen, ornamentalen Stil, die Gewänder wurden weich und fließend. Herausragendes Beispiel dafür ist etwa Otto Friedrichs „Dame in Roth“, ein Ölgemälde von 1909. Friedrich, der ebenfalls zu den Gründungsmitgliedern der Wiener Secession gehörte, wird dennoch gerne ausschließlich als Jugendstil-Maler geführt – ohne Rücksicht auf den Paradigmenwechsel, den er mitgetragen hat.

Heute gehört Friedrich zu den weniger bekannten Secessions-Mitgliedern. Den Ruhm der Wiener Moderne ernteten unter anderem Maler wie Oskar Kokoschka, der wiederum von Anton Romako beeinflusst war. Bei beiden bekamen Frauen nervöse, fließende Züge, psychoanalytische Elemente hielten Einzug in die Bildnisse. Besonders bei Kokoschka waren Frauen weder besonders schön noch besonders hässlich. Der Maler zeigte sie so, wie er sie sah. Sein Kollege Sergius Pauser porträtierte sie dagegen umso kantiger, ja teils karikierend. Seine „Dame in Weiß“ von 1927 wirkt so hart, dass sie kaum noch als weiblich zu erkennen ist.

Natürlich waren die Frauen nicht nur Motiv, sondern sie betätigten sich auch selbst als Malerinnen, wenn auch eher am Rande des Kunstbetriebs. Allzu viele waren es nicht, besonders in Wien. Im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen sind sie heute meist in Vergessenheit geraten. Einzig Erika Giovanna Klien, deren Arbeiten zur Teilströmung des Wiener Kinetismus zählen, wird gerade wieder entdeckt.

Wurden in Österreich die Frauen eher aufwändig dargestellt und verklärt, war man in Berlin deutlich nüchterner. Die Künstler widmeten sich der „Frau von nebenan“. Maler wie Otto Dix und Rudolf Schlichter konzentrierten sich auf Femme fatales, oder zumindest auf die Mädchen, die das Berliner Nachtleben bevölkerten. Auf Dix’ Bildern tragen Frauen die damals modischen Bubikopffrisuren; sie rauchen und trinken; sie genießen ihr Leben, das endlich so etwas wie Selbstbestimmung kennt. Dass dieses Dasein auch etliche Abgründe bot, ist am stärksten Schlichters Werk anzumerken. Bei „Margot“ und anderen Bildnissen porträtierte er mit Vorliebe Prostituierte, mit denen er oft auch zusammenlebte.

Jeanne Mammen fand Berlin scheußlich

Frauen waren in Berlin öfter als in Wien Teil der aktiven Kunstszene. Künstlerinnen wie Lotte Laserstein oder Jeanne Mammen prägten maßgeblich die neue Sachlichkeit der deutschen Hauptstadt, betätigten sich als „Beobachterinnen“ der wilden Zwanziger und dokumentierten diese in ihren Arbeiten. Insbesondere Mammen zeichnete Frauen als verwegene Wesen und warf dabei einen durchaus kritischen Blick auf ihre Zeitgenössinnen. „Die Rothaarige“ beispielsweise fällt, wie der Name schon sagt, nicht nur durch ihre Haarpracht, sondern auch durch arrogante Haltung auf. Und obwohl Mammen nicht etwa wie Otto Dix explizit die negativen Seiten der Porträtierten hervorhob, war sie in ihrer Aufmerksamkeit nicht ungenauer. Ihre Skizzen waren so scharf und treffend, dass sie jahrelang davon leben konnte, diverse Satirezeitschriften wie den „Simplicissimus“ mit Bildern zu versorgen.

Das Material dazu fand Mammen bei den gerade flügge gewordenen jungen Frauen, die in einer merkwürdigen Mischung aus Lebenshunger und Trotz an den Tresen Berlins standen. Auch lesbische Paare kommen in den dargestellten Szenen immer wieder vor. Wie viele Künstler besuchte auch Mammen die damals einschlägige Berliner Lokalitäten. Die Malerin, die ihre Jugend in Paris, Brüssel und Rom verbracht hatte, besaß ein gespaltenes Verhältnis zur deutschen Hauptstadt. Sie brauchte sie. Gemocht hat sie sie nie. Noch im hohen Alter wetterte sie: „Ich finde Berlin heute noch scheußlich. Wenn ich auf den Kudamm gehe, muss ich kotzen.“ Immer gerade heraus: So war sie nicht nur selbst, so malte sie auch.

Ganz gleich, ob die Frauen in Wien manchmal weichgezeichnet oder in Berlin schonungslos skizziert wurden: Schön sind sie alle, auf ihre jeweils eigene Art. Die Berliner Porträtierten hatten öfter das Glück, nicht zu wissen, dass sie als Modelle auserkoren waren. Das rückt sie näher ans echte Leben. Der Aufwand der Wiener Künstler, die in ihre Frauenporträts oft ein immenses Arbeitspensum investierten, zahlte sich oft aus, aber nicht immer. Klimt hatte Pech: Wittgenstein stand ihm nur einmal Modell. Dann nie wieder.

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