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Weiß war Markenzeichen von Helmut Dietl

© dpa

Ausstellung zu Helmut Dietl: Das Leben ist eine Speisekarte

Mann in Weiß, Münchner mit Leidenschaft, „Der ewige Stenz“: Das Literaturhaus München erinnert mit einer Ausstellung an den Filmregisseur Helmut Dietl.

„Menschen interessieren mich: kleine, große, junge, alte, reiche, kranke, gesunde. Es ist eine Untersuchung, eine Untersuchung unserer Lebensbedingungen.“ Der Journalist Maximilian Glanz aus Helmut Dietls TV-Serie „Der ganz normale Wahnsinn“, hinreißend gespielt von Towje Kleiner, konnte sich in seiner blühenden Nervosität nur im Münchner Fluidum der 1970er und frühen 1980er entfalten, als die Heimatstadt der Bussi-Gesellschaft noch Deutschlands heimliche Hauptstadt war.

Glanz will ein Buch mit dem Titel „Woran es liegt, dass sich der Einzelne nicht wohlfühlt, obwohl es uns allen so gut geht“ verfassen, wird aber durch das Tagesgeschäft und seine Probleme mit den Frauen ständig daran gehindert. Mühsam mussten Dietl und sein Fassbinder-gestählter Assistent Kurt Raab den „Kommunisten“ Franz Xaver Kroetz als Hauptdarsteller für die Serie „Kir Royal“ bei den Geldgebern durchsetzen. Dem Klatschreporter Baby Schimmerlos erging es 1986 nicht besser – er hatte ebenfalls immer etwas zu granteln. Beide handelten nach Dietls nonchalanter Devise, wonach man in München die Wirklichkeit zwar zur Kenntnis, sie aber nicht allzu wichtig nehmen müsse. Bereits der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky hatte einmal bemerkt, er komme gerne nach Bayern, denn da sei er nicht mehr in Österreich und noch nicht in Deutschland.

Memoiren und Ausstellung

Am 30. März 2015 starb Helmut Dietl, der stets in Weiß gekleidete Regisseur und Autor, nach schwerer Krankheit mit 70 Jahren. Seine Witwe Tamara setzt ihm nun ein doppeltes Denkmal. Zum einen mit der Veröffentlichung seiner unvollendeten, bis ins Jahr 1967 reichenden Memoiren „A bissel was geht immer“ (Kiepenheuer & Witsch): Dietl hatte 2012 nach der Enttäuschung über die Verrisse seines Berlin-Films „Zettl“ mit den Aufzeichnungen begonnen, zu denen sein Freund und Drehbuchautor Patrick Süskind ein humorvoll-berührendes Nachwort beisteuerte. Ausgehend von Dietls Devise, wonach „alles Künstlerische privat und alles Private künstlerisch“ war, vermitteln die Erinnerungen ein differenziertes, sozialkritisches Bild vom Aufwachsen im Nachkriegsdeutschland. So mussten der halbwüchsige Helmut und seine geliebte Mutter Else mehrfach die Wohnung wechseln, weil sie die Miete nicht bezahlen konnten – der Vater, Filmkaufmann und erfolgloser Gastwirt, hatte sich abgesetzt. Mutter und Sohn landeten in einem Schwabinger Lagerhaus und wichen zum Duschen ins Hallenbad aus.

Besetzungslisten in Form von Menükarten

Zum anderen hat Tamara Dietl im Verbund mit Reinhard Wittmann, dem vormaligen Leiter des Literaturhauses München, die Ausstellung „Der ewige Stenz – Helmut Dietl und sein München“ angeregt. Der passende Kurator war rasch gefunden: „FAS“-Feuilletonchef Claudius Seidl hatte der Witwe gestanden, sein Heimweh nach München mit dem nächtlichen Konsum von Dietl-Serien wie den „Münchner Geschichten“ oder „Monaco Franze – Der ewige Stenz“ zu stillen. Der Duden definiert Stenz als „selbstgefälligen, geckenhaften jungen Mann“, mit Helmut Fischers Monaco Franze erreichte der Typus unbegrenzte Haltbarkeit.

Dietl habe eine Halbwelt-Attitüde mit diskursiver Ernsthaftigkeit verbunden und nicht gut allein sein können, erinnert sich Patrick Süskind im Nachwort. Auch Süskinds Frau Tanja Graf brachte die Idee einer Dietl-Ausstellung mit ins Literaturhaus, als sie im Spätsommer dessen Leitung übernahm. Nun wurde der Raum im Parterre als Restaurant hergerichtet, mit einer langen festlichen Tafel in der Mitte und Besetzungslisten in Form von Menükarten. Im Hintergrund sind auf fünf Leinwänden Szenen aus Dietls Filmerzählungen zu sehen, zu deren Ästhetik wesentlich die Kostüme des Modemachers Bernd Stockinger beitrugen.

Ausstellung konzentriert sich auf Zeit vor 1992

Für Tanja Graf ist der Erinnerungsparcours in Schwarz-Weiß-Rot eine Möglichkeit, Literatur mit anderen Mitteln darzustellen: „Helmut Dietl hat ja viele Jahre seines Lebens, zumindest die Abende, im Romagna Antica in Schwabing verbracht. Dieses Lokal ließ er für ‚Rossini’ mit einem klassischen Schachbrett-Boden nachbauen, dieses Ambiente haben unsere Ausstellungsmacher nachgeahmt: Weißgedeckte Tische, Kerzenlicht, schwarzweißer Boden und schwarze Typografie auf weißem Grund, aber das Bunte sind die Filme. Die Farben der achtziger Jahre können in ihrer ganzen Schönheit erblühen.“

„Begabt, interessiert, aber unruhig“, stand im Grundschulzeugnis des Zehnjährigen. Der Enkel des Schauspielers Friedrich Dietl, der sich den Künstlernamen Fritz Greiner gab, wuchs mit seiner Mutter und den beiden Großmüttern auf. Der Ausspruch „Du hast eine Logik wie eine Frau“ ist in Dietls Filmen daher stets als Kompliment zu verstehen. Kettenraucher, Genauigkeitsfanatiker, melancholischer homme à femmes: Die Ausstellung zeigt trotz beschränktem Raum mit eleganter Leichtigkeit all diese Facetten von Dietl, wobei sie sich auf das München vor 1992 konzentriert, vor Dietls Kinokomödien wie „Schtonk!“

Berlin kommt schlecht weg

Regisseur sei er nur geworden, weil seine auf der Carina-2-Schreibmaschine entstandenen Drehbücher niemand so gut habe inszenieren können wie er selbst, bekannte Dietl. Wie sehr ihm sein Figurenensemble am Herzen lag, beweist das 2006 entstandene Manuskript „Was ist aus ihnen geworden?“, das erstmals in der von Costanza Puglisi und Florian Wenz realisierten Schau und im Katalog auftaucht. Dietl schrieb das Schicksal seiner Figuren wie das von Mona (Senta Berger), Baby Schimmerlos oder Uhu Zigeuner (Götz George) fort.

Und Berlin kommt schlecht weg: „Baby hätte viele Gründe nennen können, warum die neue Hauptstadt eine ‚Scheißstadt’ war. Einer davon, ein nicht ganz unwesentlicher, war die mangelhafte Qualität der bayerischen Weißwurst bzw. dessen, was die Berliner dafür hielten. Dass ma in dera Hurenhauptstadt ned amoi des kriagt, wos ma ned mag, des mag i ned“.

Literaturhaus München, bis 26. Februar

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