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Schloß am Strom

© SMB

Alte Nationalgalerie: Baustelle Schreibstube

Berlins Alte Nationalgalerie würdigt die Künstlerfreundschaft von Maler Karl Friedrich Schinkel und Dichter Clemens Brentano.

Zwei Künstler in Sektlaune, auch wenn an diesem Abend vielleicht nur dünner Tee gereicht worden ist. Um das Jahr 1815 – genauer weiß man es nicht – tritt der Dichter Clemens Brentano gegen den Maler und Architekten Karl Friedrich Schinkel zu einem Wettbewerb an. In geselliger Runde in Schinkels Wohnung behauptet Brentano, aus dem Stegreif eine Geschichte erfinden zu können, so kompliziert, dass Schinkel (der an diesen Abenden gern zeichnet) nicht imstande sein werde, sie zeitgleich auf Papier zu bannen.

Dass dieser mehrere Abende beanspruchende Wettstreit unter Freunden stattgefunden hat, wissen wir nicht nur durch Augen- und Ohrenzeugen. Erhalten haben sich eine Skizze und zwei Zeichnungen Schinkels zu der in einem verlassenen Schloss spielenden Erzählung. Und das erst 1820 entstandene Gemälde „Schloss am Strom“, krönender Abschluss der romantischen Phase des malenden Architekten. Heute hängt es in der Alten Nationalgalerie. Brentanos Wettbewerbsbeitrag hingegen ist leider nicht wörtlich überliefert worden.

Das Motiv des Wettstreits unter den Künsten ist so alt wie das Nachdenken über Kunst selbst – was dem Schinkel-Brentano-Match nichts von seiner liebenswürdigen Originalität nimmt. Nun liegt es nahe, die Geschichte noch einmal zu erzählen: als Herzstück der Ausstellung „Schinkel und Brentano. Wettstreit der Künstlerfreunde“ in der Alten Nationalgalerie. Sie ist Teil der Ausstellungsreihe „Kult des Künstlers“, mit der sich die Häuser der Nationalgalerie von ihrem Direktor Peter-Klaus Schuster verabschieden, der zum Monatsende in Ruhestand geht.

Konzipiert wurde die Ausstellung vom selben Kuratorengespann, das 2006 das museale Gipfeltreffen von Caspar David Friedrichs „Mönch am Meer“ mit den Friedrich-Rezensionen Heinrich von Kleists, Clemens Brentanos und Achim von Arnims arrangiert hat: die Kunsthistorikerin Birgit Verwiebe von der Nationalgalerie und der Germanist Hartwig Schultz, bis 2007 Leiter der Brentano-Arbeitsstelle am Freien Deutschen Hochstift und noch immer einer der Hauptherausgeber der kritischen Frankfurter Brentano-Ausgabe.

Das Duo hat Peter-Klaus Schuster das persönlichste Geschenk im Künstlerkultreigen spendiert. Als Nachwuchswissenschaftler hielt Schuster vor dreißig Jahren in Frankfurt einen Vortrag über „Bildzitate bei Brentano“. Schusters noch immer brillante Argumentation schmückt nun unverändert abgedruckt den Katalog. Darin wird Schinkel „als der bedeutendste Wegbereiter für Brentanos Illustrationen“ gewürdigt.

Der Kontakt zwischen Schinkel und Brentano beschränkte sich nicht auf abendliches Kräftemessen. Persönlich lernten sie sich spätestens im Frühjahr 1811 kennen. Ein ungleiches Paar: Schinkel, mit königlicher Gunst gerade in Preußens oberste Baubehörde berufen, steht am Beginn einer märchenhaften Baumeister-Karriere, der er das Malen opfern wird; Brentano plagt eine tiefe Lebenskrise, weil sein engster Freund und Mitbewohner Achim von Arnim unlängst in aller Heimlichkeit Clemens’ geliebte Schwester Bettina geheiratet hat.

Ein Zeitenwechsel: Die Verbindung Schinkel – Brentano gehört nicht mehr zu den schwärmerischen Künstlerfreundschaften der deutschen Frühromantik, jenen merkwürdigen Jungmännerbünden, die meist unter tragischen Umständen endeten. Brentano lernt in Schinkel einen – wenn auch romantisch grundierten – Bürger kennen. Dessen Hausstand, Frau und Kindern bringt der Dichter zeitlebens große Sympathien entgegen. Rührend die im Zentralarchiv der Berliner Museen entdeckten und nun ausgestellten Briefe, in denen der an sich und der Welt leidende Romantiker die „Schinkels“ lobt. Bewegend auch die Treue, die der zum dogmatischen Katholizismus neigende Brentano den protestantischen Berliner Freunden bewahrt. 1825 schreibt er aus Koblenz an Schinkel: „(...) nie kann ich ohne Rührung an euch denken, wie schonend und gütig ihr gegen mich gewesen, als die Zeit ärmer und suchender und drum heimischer war.“

Freilich haben sich Brentano und Schinkel auch als Künstler viel zu sagen. Brentano widmet Schinkel ein Lobgedicht und die Figur des Architekten Bonascopa (= gutes Auge) in einer autobiographischen Erzählung. Ja, der als Zeichner dilettierende Poet will sogar „selbst unter Schinckels Direction“ Illustrationen für sein Märchen „Gockel, Hinkel und Gackeleia“ liefern.

Der Workaholic Schinkel lässt es sich nicht nehmen, für Brentanos Bruder Franz ein – bislang unbekanntes – Haus in Frankfurt zu entwerfen. Und einige Illustrationen für Brentano aufs Papier zu zaubern, darunter das traumschöne Titelblatt zum „Mährchen von den Mährchen“. Um eine schwarzhäutige Fürstin – man ist versucht zu sagen: um das poetische Prinzip – drängen sich greise Märchenerzählerinnen. Und Schinkel, als Höfling, samt Frau und Kindern.

Alte Nationalgalerie, bis 11. Januar; Di, Mi 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr, Fr-So 10-18 Uhr. Katalog (Sandstein Verlag) 19,90 €.

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