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Art Basel

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Art Basel: Die wollen nur spielen

Schweizer Messe-Marathon: Auf der 38. Art Basel konkurriert die junge Kunst mit teuren Klassikern

Der Mensch hat zwei Augen, die nach vorne blicken. Ein Umstand, der die häufigen Kollisionen auf dem Weg durch Kojen und Freiflächen der Art Basel erklärt. Im Impulsgewitter der Farben und Formen legt man sich eine Scheuklappen-Perspektive zu und irrt geschäftig durch Hallen, die anders als die deutschen Kunstmessen keine leeren Gänge kennen. Also alles wie gehabt auf dem boomenden Kunstmarkt Basel?

Nein, denn der seit sieben Jahren amtierende Direktor der Art Basel und der Art Basel Miami Beach, Samuel Keller, wechselt zur renommierten Fondation Beyeler. Ab 2008 wird die Messe eine Troika führen: Cay Sophie Rabinowitz, Chefin der Kunstzeitschrift „Parkett“, als künstlerische Leiterin, Annette Schönholzer als Verantwortliche für Marketing und Finanzen sowie der umtriebige Kunstjournalist Marc Spiegler. Sein Bereich „Strategie und Entwicklung“ unterstreicht, dass auch die Art Basel nicht stur geradeaus schauen kann. Tatsächlich versprach das Team bereits Änderungen, ohne jedoch ins Detail zu gehen.

Volta dominiert von Vielzahl nicht von Klasse

Doch was sollte im Angesicht reger Verkaufsgespräche überhaupt verändert werden? Antworten liefern die zeitgleichen Konkurrenzmessen in Basel: Scope, Volta und allen voran Liste. Letztere flankiert bereits in elfter Auflage die Art Basel und zeigt deren Schwachstelle: die Nachwuchsarbeit. Bereits am Montag eröffnete die Liste den Messereigen. Dicht gedrängt schoben sich Besucher durch die engen Treppenhäuser der ehemaligen Warteck-Brauerei. Das Programm der 62 jungen Galerien wechselt von schnell gedachter und gemachter Kunst bis zu Bemerkenswertem: Van Horn (Düsseldorf) zeigt ein leichtes, bizarr feierliches Glasfenster von Alexander Esters, bei Dependance (Brüssel) beeindruckt eine raumfüllende Lampeninstallation von Josef Strau, während Cortex Athletico (Bordeaux) ein automatisches Piano von Benoît Maire und Etienne Chambaut Nietzsches Partitur für vier Hände spielen ließ – eine Liebeserklärung des Philosophen, die nie zur Aufführung kam.

Mit 22.000 Euro gehört das Werk zu den einträglichsten Einzelverkäufen der Liste-07-Vernissage. Dennoch sprechen manche Galerien von einem ruhigeren Auftakt als im Vorjahr. Lag es an der Menge der Kunstevents oder an der Konkurrenz? Die Volta jedenfalls kann das Niveau der Liste nicht halten und war mit dem gleichzeitigen Eröffnungstermin nicht gut beraten. Hier dominiert die Vielzahl der ausstellenden Nationen, nicht die Klasse. Lediglich der Stand der Berliner Galerie Wohnmaschine konnte rundum überzeugen, ansonsten gab es kleine Entdeckungen: Chuck Webster bei Zieher-Smith (New York) oder die Zeichnungen von Marit Victoria Wulff Andreassen bei Transit aus Oslo. Ihre Referenzen zu Jugendstil-Dekadenz und psychoanalysierter Sexualität finden sich allerdings bei vielen Arbeiten junger Künstler. Neben dem ewigen Verweis auf Popkultur und schicken, geometrischen Abstraktionen auf Papier oder im Raum drohen diese Themen mittlerweile zur Modeerscheinung zu werden.

Europäische Sammler zeigten sich kauffreudig

Ebenfalls am Montag eröffnete Statements, die Sektion der Art Basel für junge Kunst, und vermeldete gute Auftaktgeschäfte. Der richtige Run setzte jedoch erst mit der eigentlichen Art-Basel-Vernissage ein. Hier waren die Galerien der klassischen Moderne umlagert, doch auch die Kölner Galerie Sprüth-Magers wurde des Andrangs kaum Herr. Von den bezifferten Verkäufen toppte ein Gemälde von Francis Bacon aus dem Jahr 1990 (Malborough), das für 15 Millionen Euro einen Abnehmer fand. Auch zwölf Arbeiten von Frank Auerbach für bis zu 900.000 Euro waren gleich verkauft. Bacons Leinwand dürfte aber nicht der teuerste Verkauf gewesen sein – angesichts von Klassikern wie Picasso oder Miró und dem großen Warhol-Basquiat-Werk bei Bischofsberger, das am Eröffnungstag ohne Preisangabe den Besitzer wechselte. Vor allem europäische Sammler zeigten sich kauffreudig.

Derweil locken die Riesenskulpturen der Art Unlimited jene auf den Messevorplatz, die eher sinnliches Vergnügen suchen. Die Halle des weiteren Art-Basel-Ablegers Art Unlimited bietet wenig Verkauf und viel Show. Große Videoinstallationen wie Omer Fasts „The Casting“ oder Pablo Zuletas „Butterflyjackpot“ binden das eilige Publikum tatsächlich für Minuten.

Art Basel, vielleicht der realistischste Ort der zeitgenössischen Kunst

„Unplugged“ von Christoph Büchel bietet ein komplettes Schrottplatzszenario zur Erkundung an. Darin feiern Menschen im Bauwagen, umgeben von Computermüll, Blech und Essensresten. Unverfänglicher erscheinen die bunt besprühten Riesenballons von Katharina Grosses Installation „Atomimage“ oder „Breath“ von Werner Reiterer, das mit Licht und Geräusch auf Zuruf reagiert. Hier wirkt die Messe tatsächlich wie eine Ausstellung, ohne Fokus zwar, aber mit Unterhaltungswert.

Nach der kritisch aufgenommenen Biennale in Venedig vorschnell zum eigentlichen Highlight apostrophiert, findet sich die Art Basel eigentümlich selbstverständlich in einer Kette kultureller Großveranstaltungen, denen man mit dem Label „Grand Tour“ noch den Stempel historischer Bildungsreisen aufdrückte; dabei enthielt letztere keine rein kommerziellen Anlaufstellen. Doch ist die Art Basel vielleicht der realistischste Ort der zeitgenössischen Kunst: Spektakel, Marktplatz und Spielzimmer zugleich. So zelebriert man eine aktuelle Kunst, die in der Breite wahrlich nicht zu glänzen weiß. Eher scheint sie ermattet und vom Kaufinteresse zur Popularität erhoben. Wie lange dieser Zustand anhält, ist offen, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Art Basel ihre internationale Vormachtstellung weiterhin sichert. Aufmerksamkeit statt Beliebigkeit mag hilfreich sein, und so ist es ein guter Schachzug, die Führung der Art Basel nun dem Weitblick dreier Augenpaare anzuvertrauen.

Art Basel, Messegebäude Basel, Halle 1 und 2. Bis 17. Juni, täglich 11 bis 19 Uhr.

Oliver Tepel

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