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© Jinka Jansch

Art Forum Berlin: Takt der Gegenwart

Neue Chefs, alte Bekannte und insgesamt 128 Galerien bestimmen auf dem Art Forum Berlin seit Mittwoch den aktuellen Trend - und heben die Kunstmesse auf ein hohes Niveau.

Das Ding scheint aus der Wand zu kommen, die Sylvie Fleury mit weißem Kunstflausch tapeziert hat. Umso härter wirkt das Material, jener silberkalte Stahl, der sich zur Spitze einer riesigen Rakete formt und schräg nach oben weist. Ein Bild von einem Senkrechtstart – und eine schöne Metapher für die Messe, das 14. Art Forum Berlin, das seinerseits in diesem Jahr einen Neustart hingelegt hat.

Galerist Mehdi Chouakri, der die Arbeit „First Spaceship on Venus“ von Fleury von 1995 in seiner Koje anbietet (35 000 Euro), zählt zu den vertrauten Gesichtern auf dem Podium, mit dem die Kunstmesse am Mittwoch eröffnet wurde. Ansonsten weht ein neuer Wind, in der Auswahlkommission unter anderem mit Bärbel Grässlin und dem Wiener Georg Kargl, die für die Zulassung der Galerien zuständig ist. Und ebenso in der Chefetage, die mit Eva-Maria Häusler und Peter Vetsch nun zwei „Show-Manager“ vorweisen kann.

Mehr Statement als Kunstverkauf

Beide haben ihr Handwerk auf der Art Basel und damit auf der wichtigsten europäischen Messe für die Kunst des 20. Jahrhunderts gelernt. Bei den Galeristen genießen sie großes Vertrauen, das zeigt allein die Rückkehr jener Abtrünnigen, die nach ersten Teilnahmen am Art Forum aus verschiedenen Gründen abgesprungen waren. Nun sind wichtige Berliner Protagonisten wie Max Hetzler, Esther Schipper, Martin Klosterfelde oder Neu und Neugerriemschneider zurück. Selbst die Galerie Sprüth/Magers, für die das Art Forum in diesem Jahr eigentlich (noch) kein Thema war, hat sich in letzter Minute für den abgesagten Stand einer Brüsseler Galerie entschieden und ist nun auf 45 Quadratmetern präsent.

Dass es bei einigen der 128 Galerien aus 50 Ländern mehr um das Statement als um quantitativen Kunstverkauf geht, demonstrieren eindrucksvoll Neugerriemschneider. Die Galerie hat ihre große Koje überdacht und mit Pendelleuchten der dänischen Künstlergruppe Superflex versehen. In ihrem Schummerlicht läuft ein Spot von Simon Starling: ein kleiner Animationsfilm auf der Grundlage eines einzigen Fotos (Preis auf Anfrage). Man ist zurück, traut der Messeleitung jenen Qualitätssprung zu, den Häusler und Vetsch immer wieder versprechen – und wird am Tag der Vernissage bestätigt.

Preise: von 56 bis 200.000 Euro

Die Stimmung ist gut, es gibt Reservierungen unter anderem bei Christopher Grimes (Veronika Kellndorfer) oder der Galerie Nächst St. Stephan (Franz Erhard Walther), auch erste Verkäufe werden vermeldet, bei Kuckei und Kuckei sowie Eigen und Art.

Weit mehr Auswahl hält am gegenüberliegenden Stand die Galerie Thaddaeus Ropac (Paris/Salzburg) bereit, die ihre Koje neben der großen Arbeit „Jesus Jack“ von Gilbert und George (150.000 Euro) mit fotografischen Kooperationen von Dieter Roth und Arnulf Rainer aus den siebziger Jahren bestückt. Die von Hand übermalten Bilder kosten zwischen 17.500 und 35.000 Euro und sind beispielhaft für das Preissegment, dem man auf dieser Messe nach wie vor am meisten vertraut. Auch wenn Häusler und Vetsch neben den unmittelbaren Zeitgenossen nun Kunst bis zurück in die sechziger Jahre zulassen.

Den Blick zurück nutzen Galerien wie Nächst St. Stephan aus Wien und bieten neben Positionen wie Katharina Grosse oder Karin Sander die wandfüllende Stoffskulptur „Volumen über Haupt“ (1984) von Franz Erhard Walther für 60.000 Euro an. Gleich daneben hängt eine unbetitelte Installation von Imi Knoebel von 1989, die 200.000 Euro kosten soll. Dass mit der Londoner Künstlergalerie Studio Voltaire zugleich Editionen ab 56 Euro je Blatt einziehen, komplettiert die neue Bandbreite ins andere Extrem: Ab jetzt lädt das Art Forum jedes Jahr einen Non-Profit-Space ein, der mit der Qualität der ausgestellten Arbeiten von sich reden macht.

Unmittelbarer Bezug zur Gegenwart

Solche Akzente heben das Art Forum Berlin auf ein anderes Niveau. Zumal eine jüngere Generation von Künstlern gerade entdeckt, wie wichtig die Avantgarde der siebziger und achtziger Jahre für ihr eigenes Schaffen ist. Anders verhält es sich mit den Skulpturen von Antony Gormley und Erwin Wurm bei Xavier Hufkens (Brüssel) oder dem Stand der Galerie Haas (Zürich): Mit ihrer gediegenen Kunst, die zwischen den aktuellen Arbeiten von Ceal Floyer (Schipper), Thomas Bayrle (Barbara Weiss), Kerstin Drechsel (September) oder Matthias Weischer (Eigen und Art) seltsam staubig wirkt, schärfen sie nicht das Profil der Messe. Sie verwässern vielmehr, was das Art Forum ausmacht – den unmittelbaren Bezug zur Gegenwart.

Wie man auch ganz anders an die Geschichte anknüpfen kann, zeigt in der jungen Messe-Sektion „Focus“ die Berliner Galerie Aanant und Zoo. Sie vertritt mit Channa Horwitz eine amerikanische Künstlerin, die den musikalischen Rhythmus ihrer Peformances seit vierzig Jahren in wunderbar strenge Zeichnungen überführt (3.500 – 14.000 Euro) – und die es trotz ihrer langen Biografie noch zu entdecken gilt.

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