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Sothebys

© AFP

Auktion: Rote Dame in Turbulenzen

Der neue „Kunstmarkt Vertrauensindex“ von Artprice.com, der seit einigen Tagen per Umfrage ermittelt wird, stand gestern im Minusbereich. Die Mehrheit der Befragten glaubt, dass die Kunstpreise ein Opfer der Börsenturbulenzen werden.

Am Großaufgebot von Kunst in den Londoner Auktionen der nächsten Woche wird dies nichts mehr ändern. Die Abendauktionen von Sotheby’s und Christie’s haben Schätzungen um die 100 Millionen-Pfund-Marke – so hoch wie noch nie.

„Unsere Kataloge sind voll mit großartigem Material. Da können wir jetzt nichts mehr machen“, meint Sotheby's Expertin Helena Newman lachend. Von schwindender Kauflust will sie nichts gemerkt haben. Tatächlich wurden in New York vergangene Woche mitten in den Finanztumulten Altmeister für 83Millionen Dollar verkauft. Nun sollen die Londoner Auktionen beweisen, dass sich der Kunstmarkt vom restlichen Wirtschaftsgeschehen fast schon abgekoppelt hat.

Newman führt eines ihrer Lieblingsstücke vor, Franz Marcs „Weidende Pferde III“, geschätzt auf sechs bis acht Millionen Pfund. Ist es nicht ein bisschen zu lieblich und zu früh? „Es ist das letzte Pferdebild von Marc, das noch verkauft werden kann“, schmunzelt sie. Und das ist nur eines von vielen expressionistischen Bildern. Die Erben August Mackes haben das „Stilleben mit Apfelschale und japanischem Fächer“ aus dem Bonner Kunstmuseum abgezogen und wollen dafür mindestens 600 000 Pfund. Es gibt eine von Ernst Ludwig Kirchner in Fehmarn gemalte Aktgruppe und bei Christie’s und Sotheby’s Werke von Gabriele Münter, Emil Nolde, Wilhelm Lehmbruck, Ludwig Meidner, Christian Schad und anderen deutschen Malern.

Alle wollen jetzt die hohen Preise mitnehmen. Die Berggruen-Erben haben ein Porträt von Dora Maar (1938) aus den Berliner Picasso-Beständen genommen. Mit mindestens 6,5 Millionen Pfund muss es nun mit der Feuerflut von Alexej Jawlenskys „Schokko mit Tellerhut“ um die Spitzenposition kämpfen. 2003 erzielte Schokko schon einmal mit 8,3 Millionen Dollar einen Rekordpreis, diesmal soll sie fast das Doppelte bringen. „Es ist der beste Jawlensky, den man haben kann“, behauptet Newman.

Bei Christie’s hat der New Yorker Privatmuseumsdirektor und Starsammler Ronald Lauder acht Schiele-Aquarelle eingeliefert. Aus dem Nachlass des Londoner Immobilieninvestors Maurice Wohl kommen Meisterwerke von Jawlensky und van Dongen. Eine Gruppe von Werken Karl Schmitt-Rottluffs, darunter eine rekordverdächtige Aktgruppe von 1913 wurde von dessen großem Hamburger Mäzen Wilhelm Niemeyer gesammelt. Auch hier ist ein Picasso am höchsten taxiert, das Spätwerk „Homme assis au fusil“ soll fünf bis sieben Millionen Pfund kosten. Vor einer Dekade waren diese Bilder noch als senile Alterswerke verachtet.

Doch all das wird am Mittwoch in der bisher ehrgeizigsten europäischen Contemporary-Auktion in den Schatten gestellt. Bei Christie’s kommt das am höchsten taxierte Werk einer europäischen Auktion unter den Hammer: 25 Millionen Pfund soll Francis Bacons „schwarzes“ Trauertriptychen für den Freund George Dyer von 1974 kosten. In wenigen Jahren hat sich Bacon von einem „schwierigen“ Künstler für eine kleine, intellektuelle Sammlerschaft in den Inbegriff des Blue Chip Investments verwandelt. Glückt der Verkauf, werden Kunstspekulanten in aller Welt vor Erleichterung seufzen.

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