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Ausstellung: Eins zu eins ist jetzt vorbei

Arbeiten der Künstlerinnen Monika Sosnowska und Andrea Zittel im Schaulager Basel.

Fußballassoziationen sind in Basel, bis vor kurzem noch Austragungsort der Europameisterschaft, durchaus angesagt. Weshalb sich auch Kuratorin Theodora Vischer für die sechste Sommerausstellung im Schaulager, jenem seltsamen Zwitter aus privatem Kunstlager und Museum, für den schlichten Ausstellungstitel „1:1“ entschieden hat. „1:1“: So heißt das berühmteste Werk der polnischen Künstlerin Monika Sosnowska, mit dem sie auf der Venedig-Biennale 2007 großen Eindruck machte. Seinerzeit war die haushohe schwarze Stahlkonstruktion zentimetergenau in den polnischen Pavillon in den Giardini eingepasst, eingezwängt zwischen alle sechs den Raum begrenzenden Flächen: das verformte, verbeulte, eingeknickte Relikt polnischer Plattenbauweise der sechziger und siebziger Jahre; marode Gegenwart einer vergangenen Utopie.

Im vom Schweizer Architektenduo Herzog und de Meuron entworfenen Schaulager wird das Gerüst nur von Boden und Decke des ausladenden Untergeschosses begrenzt. Die Begleitpublikation formuliert dazu: „Ihr ‚Partner‘ ist nun ein anderes Gebäude und die Stahlkonstruktion wurde diesem neuen Innenraum wieder neu angepasst.“ Das gilt nicht nur für „1:1“, sondern ist Programm. Der konkrete Bezug zum Ort der Präsentation ist typisch für Sosnowskas Arbeiten, regelmäßig werden sie an Ort und Stelle entwickelt; entsprechend problematisch ist der Transport der Werke – und ihrer Wirkung – an einen anderen Platz. Theodora Vischer umschifft diese Klippe, indem sie eine Rekonstruktion gar nicht erst versucht, sondern alle vier bekannten Sosnowska-Arbeiten der Ausstellung jeweils neu, verändert zeigt.

Hinzu kommen fünf für die Ausstellung entstandene, nach SosnowkaMaßstäben sehr klein dimensionierte Werke. Neben der sechs Meter hohen Biennale-Konstruktion steht eine gerade 50 Zentimeter hohe zerknitterte Papiertüte, in die Sosnowska die Miniaturmodelle nicht gebauter Häuser geklebt hat. Die Proportionen verschwimmen. So wenig die Ausstellung rekonstruiert, so wenig dokumentiert die obligatorische Ausstellungspublikation die Ausstellung. Sie zeigt stattdessen Schnappschüsse, die Sosnowska in den letzten acht Jahren von einem postkommunistischen Warschau, ihrem Wohnort, gemacht hat. Wenn Erwartungen demonstrativ unterlaufen werden, kann das mitunter danebengehen – hier ist das nicht so. Die Fotos sind Arbeitsmaterialien, ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Sie dokumentieren die Eindrücke, aus denen Sosnowska ihre Kunstwerke entwickelt.

Bemerkenswert ist auch, wie Theodora Fischer mit ihren Künstlerinnen umgeht: Immerhin ist die Sommerausstellung ein Doppelschlag. Monika Sosnowska ist das Untergeschoss vorbehalten, der amerikanischen Künstlerin Andrea Zittel das Erdgeschoss. Also keine vordergründig „dialogische“ Gegenüberstellung einzelner Werke oder Werkgruppen. Lässig, souverän, angemessen wirkt das. Zumal auf Sosnowska und Zittel ausnahmsweise einmal zutrifft, was bei Ausstellungen in penetranter Regelmäßigkeit behauptet wird: Die beiden Künstlerinnen haben sich ihre eigenen Mikrokosmen erschaffen. Diese nicht aufzubrechen, war eine kluge Entscheidung.

Jean Genet hat gesagt: „Ideen interessieren mich nicht so sehr wie die Form der Ideen.“ Wie Ideen Form annehmen, das führt Andrea Zittel vor. Ihre „A-Z Cellular Compartment Units“ sind zellenartige Module aus Sperrholz, Stahl und Glas, die sich zu Wohnbehausungen zusammenfügen lassen. Der Blick durch ein Fenster fällt auf ein abgegriffenes Buch mit dem Titel „Biofuture: Confronting the Genetic Era“. Zittels 1991 begonnenes Projekt A–Z atmet den Geist mehr als nur einer Sozialutopie: Anthroposophie, amerikanische Frontier-Bewegung, Hippietum, Öko-Selbstversorger und mehr.

Das Modulprinzip und die runden Fensteröffnungen der Wohnzellen lassen an den Metabolisten Kisho Kurokawa denken. Zittel sucht die Nähe von Architektur und Design, der angewandten Künste. In vielen Malereien bedient sie sich einer aus der amerikanischen Werbegrafik der 40er bis 70er Jahre bekannten Ästhetik. Zittel sagt selbst: „Da wir ja wissen, dass Bilder in der Werbung Überzeugungszwecken dienen, werden sie von vornherein als potenzieller ‚Betrug‘ oder als ‚Lüge‘ wahrgenommen, und das macht sie irgendwie wahrhaftiger, da ihre Rolle als Propaganda so durchsichtig ist.“

Möbelobjekte, Kleiderkollektionen, wohnwagenartige Gehäuse für die individuelle Weltflucht – Zittels Parallelwelt ist so absolut, dass ein gewisser manischer Zug nicht von der Hand zu weisen ist. In ihren „A–Z Cellular Compartment Units“ kann ein erwachsener Mensch übrigens nicht aufrecht stehen. Man sollte den Anteil Ironie, der allen Arbeiten eignet, nicht übersehen. Zittels Umgang mit dem Utopischen ist nicht weniger distanziert als der Sosnowskas. Es lag auf der Hand, beide einmal zusammenzuführen.

Andrea Zittel, Monika Sosnowska. 1:1 bis 21.09. im Schaulager, Münchenstein/Basel.

Jens Müller

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