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Mathilde_ter_Heijne

© Mathilde ter Heijne

Ausstellung: Und Schuss!

"Talking Pictures": Eine Düsseldorfer Ausstellung untersucht das Theatralische in der Kunst. Diese Art der Kunst lieferte auch die stärksten Beiträge zur ansonsten wenig innovativen Documenta in Kassel.

Spätestens seit den Neunzigern ist der Einsatz von Videos im Theater en vogue. Zahlreiche Inszenierungen wären nur halb so wirkungsvoll ohne dieses zusätzliche Mittel der Suggestion, der Übertreibung, der Koppelung von Zeitebenen. Seit einigen Jahren geht die Inspiration den umgekehrten Weg: Videokünstler machen Anleihen beim Theater, ein Phänomen, das sich auch auf der gerade zu Ende gegangenen Documenta beobachten ließ. Die stärksten Beiträge – von James Coleman, Artur Zmijewski und Danica Dakic – bedienen sich dieser Doppelstrategie. Die Ausstellung „Talking Pictures. Theatralität in zeitgenössischen Film- und Videoarbeiten“ im Düsseldorfer K 21, dem Haus für das 21. Jahrhundert der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, erscheint wie die Vertiefung oder Nachbereitung der in Kassel nur vage erfassten Idee.

Mit gezückter Pistole schleichen die beiden Frauen umeinander: Die eine ist ein verhärmtes Weibchen, die andere trägt ein teures Rüschenkleid. Gespielt werden sie von derselben Person. Die Berliner Videokünstlerin Mathilde ter Heijne gibt mal den Prototyp der sozialen Verliererin, mal den der Siegerin aus den amerikanischen Pionierjahren. Am Ende erschießen die beiden einander; dazu erklingt der Arbeiter-Protestsong „Oh Death“. Vor der wandfüllenden Projektion stehen zwei ausgestopfte Puppen mit der gleichen Kostümierung, ihre Gesichter ähneln dem von Mathilde ter Heijne. Hier soll es holpern und stolpern wie in bester Stummfilmtradition. Die Künstlerin versucht gar nicht erst, die Mittel der Illusion zu verbergen, sie betont die Künstlichkeit des Szenarios.

Der Zuschauer betritt die Bühne

Darin ähneln sich die zehn Positionen, die Kuratorin Doris Krystof im Kellergeschoss des ehemaligen Düsseldorfer Landtags zusammentragen hat. Gemeinsam bilden sie eine Flanierzone: Mal zieht der Besucher einen klassischen Vorhang beiseite und befindet sich mitten im statuarisch gefilmten Bühnenstück, mal betritt er eine hölzerne „Confession“- Box, in der hinter Kindermasken verborgene Menschen von traumatischen Jugenderlebnissen berichten (Gillian Wearing). Immer wieder wird der Betrachter ins Geschehen hineingezogen. Zugleich wird das Verhältnis von Publikum und Vorgeführtem jedes Mal neu definiert. Schließlich wird hier kein Stück gegeben, geschieht keine Interaktion zwischen Bühne und Zuschauerraum im Moment der theatralen Aktion, sondern der Besucher muss sich selbst positionieren im Verhältnis zum unendlich repetierbaren Produkt. Von der Bühne, dem Kino holen sich die Künstler letztlich nur das Performative, die hohe Textualität, die dramatische Dichte wie etwa bei Ana Torfs’ Reinszenierung von Maurice Maeterlincks Stück „Eindringling“, das sie aus einem Salon im Jahr 1890 ins kühle Wohnzimmer einer zeitgenössischen Villa verlegt. Wie in der jüngeren gegenständlichen Malerei besteht auch hier das Bedürfnis nach der großen Geste, der Erzählung – nur mit den Mitteln des Films.

Vielleicht gehören deshalb Keren Cytters Fünf-Minuten-Stück „The Victim“, das bereits in den Berliner Kunst-Werken zu sehen war, und Yang Fudongs Schwarz-Weiß-Zyklus „Seven Intellectuals in Bamboo Forest“, ein Höhepunkt der Biennale-Ausstellung in Venedig, zu den beliebtesten Beiträgen der Videokunst-Schau. Beide beziehen sich auf eine Tradition und halten doch dagegen. Während die junge Israelin Keren Cytter großes Theater in ihre Wohnküche verlegt und mit komischen Elementen spielt wie etwa einem Zwillingspaar, das den antiken Chor gibt, entwickelt Yang Fudong die elegische Stimmung eines chinesischen Dreißigerjahre-Films. Nicht sieben Gelehrte wie in der Legende aus der Wie- und Jin-Dynastie im 3. Jahrhundert ziehen sich bei Fudong zurück aufs Land, um der Korruption, Gewalt, städtischen Hektik zu entfliehen, sondern sieben junge Erfolgsmenschen der chinesischen Gegenwart, die ebenfalls ihren Platz in einer Zeit des Umbruchs zu finden versuchen. Womit der Shakespeare-Satz auch für die Kunst gilt: Die ganze Welt ist eine Bühne.

K21, Düsseldorf, bis 4. November; Katalog (DuMont) 34,90 Euro.

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