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Ausstellungen: Auf die Knochen

Künstler und Sammler als Galerie-Kuratoren: drei Ausstellungen mit ungewöhnlichem Konzept

Die Not brachte den Galeristen Hamish Morrison auf eine Idee. Weil die neuseeländische Künstlerin Judy Millar zur Biennale nach Venedig eingeladen ist, kam die Einzelausstellung in seinen Räumen nicht zustande. Warum also nicht den Nachbarn um Hilfe bitten: den Galeristen JanPhilipp Frühsorge, ein Spezialist für Zeichnungen. „Deuce“ heißt die gemeinsame Ausstellung in den Räumen von Hamish Morrison – nach dem Gleichstand im Tennisturnier. Sie behandelt Zeichnung und Malerei als gleichberechtigte Medien – eine Ausstellung, die sicn ihrem Erkenntniswert deutlich vom Gewohnten abhebt.

Aufs Glücklichste vertiefen und verdichten die Zeichnungen die Malerei und umgekehrt. Dabei bedeutet Zeichnung nicht immer Stift auf Papier. Sophia Schama zum Beispiel trägt Acryl auf durchsichtige Plastikfolie auf (je 700 €). Ihre opaken Farbgedichte erinnern an alte Plattenphotographien, denen man die Schlieren der Emulsion ansieht. In ihren Gemälden versucht sie die gleiche Durchsichtigkeit mit mehreren Bildebenen zu erzielen (11 500 €). Am Ende ritzt sie Kerben in die Farbe, um ihr Transparenz abzutrotzen. Bei Schama wirkt die Zeichnung wie das Röntgenbild der Malerei.

Noch deutlicher wird dieser Effekt in der Gegenüberstellung von Frank Badur und Ronald de Bloeme. Oberflächlich betrachtet malen beide Streifen. Der Niederländer de Bloeme, Jahrgang 1971, analysiert jedoch die visuelle Botschaft von Verpackungen (1200 € und 16 000 €), indem er sie am Computer zerlegt, in der Zeichnung rekonstruiert und dann auf der Leinwand neu erfindet (1200 € und 16 000 €).

Ganz anders Frank Badur, der mit der Energie und Strahlkraft der Farbe arbeitet. In der Zeichnung muss er ein hauchdünnes Raster zu Hilfe nehmen, um Tiefe zu erreichen, auf der Leinwand kann er Schicht auf Schicht übermalen. Es liegt an der Zartheit der Zeichnungen, aber auch an der Entschiedenheit des Kurators, dass diese Ausstellung im Detail faszinierend und im Überblick beschwingend ist. Federleicht wie ein Blatt.

Ähnliche Unbekümmertheit bestimmt die Atmosphäre in den Schauräumen der Sammlung Haubrok am Strausberger Platz. Ungewöhnlich verspielt geht der Künstler Jonathan Monk mit Werken um, die sich auf den ersten Blick verschlossen geben. Monk durchschaut ihren Gedankenwitz und stülpt die Brillanz hinter der strengen Fassade nach außen. In der Ausstellung „Connected Things Collected“ hat er Werke aus seiner eigenen „Monk Family Collection“ mit Arbeiten aus der Sammlung Haubrok verwoben. Leichthändig tupft er eine winzige Armbanduhr von Alighiero Boetti an die weiße Wand, versperrt den Weg mit Streifen von Daniel Buren, schafft ein magisches Kabinett mit dem Kreidekreis des Minimalisten Ian Wilson und dem durchsichtigen Würfel von Sol LeWitt. Er zaubert die Idee aus der Gestalt. Voll Respekt für die Kollegen, aber ohne falsche Ehrfurcht lässt Monk die luftige Kunst schweben.

Verwandte im Geiste begegnen sich auch in der Ausstellung „Flugversuch mit Spurenkammer" in der Galerie Kienzle & Gmeiner. Hier bietet der Galerist Jochen Kienzle dem Sammler Wilhelm Schürmann Gastfreundschaft. Augenöffner für die beiden Aficionados war ein Bild von Gary Stephan. Darin reduziert der New Yorker Maler die menschliche Existenz aufs Knochenmark. Daneben hat Schürmann einen Stich von Piranesi gehängt, er zeigt Marmorfragmente mit Teilen von Stadtplänen. Hier die Wüste, dort antike Grabungsfelder als Orte der Menschwerdung. Die 56-jährige Amerikanerin Joanne Greenbaum wiederum wischt malend den Staub der Vergangenheit beiseite und birgt unter der dunklen Oberfläche ein neues Atlantis (24 000 €). In der Galerie wirken diese archäologischen Beziehungen ein wenig zu augenfällig. „Flugversuch mit Spurenkammer“ ist auch eine Verkaufsschau. Manche Arbeiten muten an wie Küken, die aus dem Nest gestoßen werden. Sie wollen nicht recht fliegen.

Hamish Morrison, Heidestr. 46-52; bis 13.6. / haubrokshows, Strausberger Platz 19, nur 30.5., 12-18 Uhr / Kienzle & Gmeiner Bleibtreustr. 54; bis Ende Juni.

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