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Berliner Kunstherbst: Träume, Schäume

Mit der Berlin Art Week stellen sich die Kunstmesse Preview und die abc neu auf. Doch nicht alle sind zufrieden.

Was denn nun? Im Frühjahr herrschte schönste Einigkeit, als dreizehn player der Berliner Kunstszene für ein gemeinsames Foto posierten; darunter André Schmitz als Berliner Kulturstaatssekretär, der Galerist Alexander Schröder, Kristian Jarmuschek von der Kunstmesse Preview, Sammler Christian Boros und zahlreiche Vertreter kultureller Institutionen. Gemeinsam haben sie die Berlin Art Week initiiert, mit der das Kunstgeschehen in der Stadt schon in diesem Herbst wieder konzentriert sichtbar werden soll.

Zur Erinnerung: Bis 2007 gab es den „Kunstherbst Berlin“, eine Dachmarke mit Strahlkraft, üppigem Veranstaltungsheft und vielen Gründen für eine Reise in die Metropole. Als die öffentlichen Gelder wegfielen, gestaltete jeder den Kunstherbst für sich, teils in wechselnden Allianzen. Vor allem aber strukturierte man Berlins wichtigste Messe, das Art Forum, gründlich um und ließ es fallen, als immer mehr Galeristen auf das Lifting mit Nichtteilnahme reagierten. Dass Berlin ohne Messe sei, heißt es seitdem immer wieder, vor allem aus überregionalem Blickwinkel. Was nicht stimmt: Mit der Preview und der Art Berlin Contemporary (abc) gibt es aktuell zwei unterschiedlich konzipierte Messeformate. Gemeinsam mit den anderen Akteuren wollen sie nun also die Lücke schließen – dabei weist das Gruppenbild selbst schon eine Lücke auf. Es fehlte der Landesverband der Berliner Galerien.

Hier blickt man weiter mit Skepsis auf den neuen Kunstherbst, der am 11. September offiziell startet und in der Eröffnung der Kunstmessen zwei Tage später gipfelt. Beim Verband bleibt dennoch Unbehagen. Weil beide „den Standort Berlin noch nicht abbilden“, erklärt Geschäftsführerin Anemone Vostell. Zur Begründung zieht sie noch einmal die große Umfrage ihres Verbandes vom Jahresanfang heran. Zahlreiche Berliner Galeristen hatten darin eine vom Land getragene Messe mit Art-Direktor und unabhängigem Fachbeirat favorisiert. Beides weisen die aktuellen Messen nicht auf. Auf der abc sind im September zwar rund 130 Galerien vertreten. Knapp die Hälfte kommt aus Berlin; darunter mit Capitain/Petzel, Neugerriemschneider, Sprüth/Magers oder Nordenhake echte Schwergewichte auf dem internationalen Kunstmarkt. Als private Galerieninitiative behalten sich die abc-Gesellschafter, zu denen seit jüngstem auch Mehdi Chouakri und Guido Baudach gehören, die Auswahl der Teilnehmer allerdings ohne offizielle Jury vor.

Anders die Preview. Ihr Bewerbungsformular kann jeder aus dem Internet herunterladen und hat Chancen auf eine Teilnehme im imposanten Hangar2 des Tempelhofer Flughafens, wenn im Programm der Galerie „aktuellste Tendenzen sichtbar“ werden. Projekträumen und neuen Distributionsmodellen galt bislang ein besonderes Augenmerk. Als Scharnier zwischen den Sphären der alternativen Projekte und der etablierten, wohl auch verwöhnten Sammlerschaft fungieren Dinner, Empfänge und ein VIP-Programm.

Mit Marcus Deschler, Wendt+Friedmann, Loris oder Hunchentoot nehmen auch hier zahlreiche Berliner Galerien mit jungen, eigenständigen Positionen teil. Nicht aber solche, die ihren Schwerpunkt auf Künstler vergangener Jahrzehnte legen. Wer mit Informel handelt, mit Malerei der achtziger Jahre oder Skulpturen aus den Sechzigern, dem steht als Plattform nur die abc zur Verfügung – vorausgesetzt, Kunst und Galerie passen zu deren spezifischem Programm.

In einer Stadt mit knapp 400 kommerziellen Adressen, wie sie der Landesverband zuletzt ermittelte, blieben so viele auch jetzt „ohne einen sichtbaren Marktplatz“, moniert Anemone Vostell. Dabei finanzierten viele Galerien ihre Teilnahme an Kunstmessen, indem sie sowohl Etabliertes als auch Experimentelles verkauften, weiß sie aus Erfahrung und fordert einen demokratischen Ort für beides.

Nun hat die Preview, ähnlich wie die abc, über Jahre ihr Profil geschärft. Eine Neuausrichtung braucht länger als jene Phase, die zwischen dem Bekenntnis zur gemeinsamen Art Week und dem Bewerbungsschluss zur Messe lag. Zumal es sich vor allem dem Engagement und wohl auch der Hartnäckigkeit ihres Organisationsteams verdankt, dass man sich überhaupt an einem Tisch versammelt hat. Und doch zeigt der Blick nach Köln, Madrid oder Paris, dass alle zentralen Messen mit Kunst der jüngeren Vergangenheit handeln. Mit einem Fokus allein auf der aktuellsten Produktion wird es Berlin selbst als Standort der Produzenten auf Dauer nicht zum Messeplatz schaffen.

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