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Corrida Paintings: Eric Fischl in der Galerie Jablonka ausgestellt

"Corrida Paintings": Die Galerie Jablonka zeigt neue Bilder des amerikanischen Malers Eric Fischl. Das unmittelbar körperliche ist immer noch bezeichnend für Fischls Gemälde.

Wer Eric Fischl sagt, der denkt doch immer bloß das eine: Fleisch. Schnell erinnert man sich seiner nackten Figuren in nächtlichen Swimming-Pools oder an Paare, die in seltsam aufgeladenen Situationen durch halb leere Bungalows streifen. Und natürlich an jenen „Bad Boy“, der im gleichnamigen Bild von 1981 eine entblößte Frau auf dem Bett taxiert, während er ihre Geldbörse aus der Handtasche nimmt.

Unmittelbar körperlich sind auch Fischls jüngste Gemälde. Ein halbes Dutzend, das bislang nirgendwo zu sehen war und nun in der Jablonka-Galerie Ausstellungspremiere feiert, bevor die Bilder von Berlin nach New York und später in das Centro de Arte Contemporáneo in Málaga reisen. Ihre Kleider behalten die Protagonisten auf den imposanten Großformaten diesmal allerdings an: Es wäre wohl auch unpassend, würden sich die kämpfenden Toreros in aller Öffentlichkeit ihrer Kostüme entledigen, die ohnehin mehr betonen als verhüllen.

In den „Corrida Paintings“ verändert sich also die Szenerie. Aus der intimen Sphäre des bürgerlichen amerikanischen Reihenhauses geht es hinein in die laute, stampfende, anachronistische Wirklichkeit des Stierkampfes. Doch ganz so radikal, wie es das neue Sujet nahelegt, vollzieht sich der Wechsel dann doch nicht: Es gibt wie immer bei Fischl kein Publikum, der Stier und die Kämpfer bleiben für sich. Eine Zwiesprache unter Rivalen, deren Ebenbürtigkeit aus ihrer Differenz resultiert. Der eine unfassbar stark und wütend, der andere flink, geschickt – und „geschmückt wie eine Braut“, deren rotes Tuch sich mühelos als Schleier lesen lässt. Fischl hat solche Analogien erst hergestellt, als er mitten im Malprozess war. Hat die prächtigen Kostüme der Toreros mit ihren aufwendigen Mustern studiert und anschließend bemerkt, dass „solche Blumenmuster sonst eigentlich von Frauen getragen werden“.

Dass ihn sein Galerist Raffael Jablonka mit ins andalusische Ronda und dessen legendäre Stierkampfarena genommen habe, als die Ideen für neue Motive auf sich warten ließen, bekannte Fischl jüngst während eines Vortrags in der Berliner American Academy freimütig. Doch vielleicht waren die malerischen Lähmungserscheinungen auch ein Reflex auf jenen Skandal, der sich im Anschluss an den 11. September 2001 ereignete: Ein gutes Jahr nach den Anschlägen wurde im Rockefeller Center Fischls Bronzeskulptur „Tumbling Woman“ aufgestellt. Die klassische Interpretation einer Stürzenden, mit der der Künstler seine individuellen Eindrücke des Schreckens verarbeiten wollte. Im Kontext führte die fallende Frau dann aber zu heftigen Reaktionen.

Selbst jetzt merkt man Fischl noch an, wie sehr ihn die Missinterpretation seiner Arbeit damals verletzt hat. Die Figur mit der ausgestreckten Hand, die seiner Absicht nach „zur Berührung, zum Festhalten“ animieren sollte, wurde verhüllt und fortgeschafft. Da liegt es nahe, die Beschäftigung mit dem Stierkampf als Rückzug zu begreifen. Ein altes Thema mit historischen Referenzen zur Malerei eines Goya und Picasso oder der Literatur von Hemingway. Wer soll sich davon provoziert fühlen? Doch je länger man sich die farbsatten, klug komponierten und wie immer nach Fotografien entstandenen Gemälde ansieht, desto deutlicher wird die feine Linie, die Fischl von den Granden der Geschichte zu seiner eigenen, inzwischen ebenfalls 60-jährigen Biografie zieht.

„Ich merke, dass sich mit der Zeit einiges im Interesse verschiebt“, sagt der Maler. Steht in der Mitte der Galerie und zeigt auf Gemälde „No. 4“, wo sich der Torero bereits zum imaginären Publikum dreht, während der gefällte Stier seine letzten Minuten erlebt. Eine Kreatur, ohne Verständnis für das Geschehen und dennoch im Augenblick des Sterbens vor Angst erstarrt. Dieser existenzielle Moment sei ihm wichtig gewesen, erklärt Fischl. Und langsam beginnt man zu ahnen, dass sich mit dem Sujet tatsächlich eine Wende anbahnt. Fischl, der große Chronist der Sprachlosigkeit zwischen den Geschlechtern und der Einsamkeit im Doppelbett, beginnt ein Spätwerk. Eines, das die Vorbilder der Kunstgeschichte rekapituliert und sich an ihnen misst. Man sieht, wie der amerikanische Künstler virtuos zwischen figürlicher Erzählung und malerischer Abstraktion wechselt. Wie er die Ornamente der Kostüme skulptural und die Körper dann im Widerspruch so flächig erfasst, dass sie wie Freihalter wirken. Der Kampf, die Gewalt und nicht zuletzt die Kunst, die sich im scheinbar mühelosen Tanz der Toreros manifestiert – alles hat Platz auf den meterlangen Leinwänden vom Format eines Historiengemäldes. Natürlich weiß Fischl, dass sich Vergangenheit nicht beliebig zurückholen lässt und dass die tänzelnden Figuren aus der Zeit gefallen wirken. Doch charakterisiert gerade diese Vergeblichkeit, mit der das Motiv aus immer wieder ähnlichem Blickwinkel dekliniert wird, Fischls großartige Arbeitsweise – seine Hoffnung, dass die Variation doch noch Profundes offenbart.

Galerie Jablonka, Rudi-Dutschke-Str. 26; bis 15.7., Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-18 Uhr.

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