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Elvis Presley: Kommando Hüftschwung

Panzerspäher Presley: Eine Ausstellung im Alliiertenmuseum erinnert an Elvis’ deutsches Soldatenleben.

Wenn es zwei Sphären gibt, die sich fremder kaum sein könnten, dann sind es der Pop und das Militär. Hier Ausschweifung und Freiheit, dort Disziplin und Dienst nach Vorschrift: Gegensätze von archetypischer Tragweite. Vor ziemlich genau fünfzig Jahren prallten sie aufeinander. Am 24. März des Jahres 1958 meldete sich um 6 Uhr 35 ein junger Mann zum Militärdienst. Sein Name: Elvis Presley.

Der Soldat, an dessen Militärdienst in Deutschland nun das Aliiertenmuseum mit einer Ausstellung erinnert, erhielt die G.I.-Nummer 53310761 und einen Seesack, den er, begleitet vom Kreischen deutscher Teenager, am 1. Oktober 1958 von Bord des Truppentransporters USS Randall in Bremerhaven wuchtete. Bereits von diesem 1. Oktober an wird an dem Militärdienst des Soldaten nichts mehr normal sein.

„Elvis war ein ganz normaler Soldat“, beteuern dennoch mehrere Zeitzeugen bei der Ausstellungseröffnung in Dahlem. Der Briefträger ist da, der Elvis damals die bis zu 20 000 Briefe Fanpost pro Woche in die Kaserne zustellte, und der deutsche Halbstarke, dem Elvis die Lederjacke auf dem Kragen signierte – leider entfernte seine Mutter das popgeschichtlich wertvolle Unikat mit dem Bimsstein. Nun illustriert diese textile Leerstelle in einer Vitrine den Generationenkonflikt jener Jahre. Geschichten, die das Leben schrieb.

Auch der gezähmte Rockstar musste raus aus der Lederjacke, die er noch im Film „King Creole“ getragen hatte. Die für damalige Verhältnisse langen Haare mussten runter, und folgerichtig findet sich der Besucher der Ausstellung vor der originalen Friseurschüssel aus den Ray Baracks im Hessischen Friedberg wieder.

Der „berühmteste Soldat der Welt“, wie Presley bald in den Medien hieß, diente an strategisch wichtiger Position. Das Combat Command C der dritten Panzerdivision der US-Armee soll den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die hessische Talsenke verhindern. Panzerspäher Presley ist mit der strategischen Sicherung von Brücken betraut, ein Foto zeigt ihn mit Fernglas und Maschinengewehr im Anschlag. Unter Glas warnen bunte Broschüren vor der roten Gefahr, ein Brettspiel diente den Soldaten damals zur Simulation des sogenannten Fulda Gap.

Doch der Krieg blieb kalt. Bei minus zwanzig Grad diente Elvis in Grafenwöhr, wo auch die ersten amerikanischen Atomwaffen auf deutschem Boden vorgestellt wurden. Dass der Militärdienst vielleicht doch nicht ganz so normal wie für die Kameraden in der Truppe verlief, muss sich der Besucher anhand einiger Exponate selbst zusammenreimen. Mehrere Fotografien zeigen den Soldaten ganz in Zivil an der Seite der Schauspielerin Vera Tschechowa, ein Plakat aus dem Münchner Moulin Rouge verkündet „Sexbomben! Nylonwäscheshow!“, und eine Fotografie zeigt Elvis mit weißer Krawatte im Kreise seiner Entourage beim Betrachten von Schönheitstänzen in einem Pariser Nachtclub. Vater, Großmutter und Freunde wohnen auf Elvis’ Kosten in kasernennaher Lage im Park Hotel und im Hotel Grunewald. Seine Dienstpausen weiß der Soldat zu nutzen. In seiner Abwesenheit erscheinen mehrere Singles, die den strategischen Wechsel vom Bürgerschreck zum familientauglichen Schlagerentertainer einleiten, denn auch hinter ihm steht bereits eine wirtschaftliche Generalität: sein Manager „Colonol“ Tom Parker.

Elvis verlässt Deutschland am 2. März 1960, ohne einen Schuss auf den Feind abgefeuert zu haben. Zurück bleiben die erst 14-jährige Soldatentochter Priscilla, viele deutsche Fräuleins, die Elvis mit guten Erinnerungen beschenkte, und ein paar Exponate, die nun Museen füllen. Zu Hause in Amerika dreht Elvis den Film „G.I. Blues“, heiratet dann doch Priscilla, verlässt sie wieder und stirbt zwei Jahrzehnte später unrühmlich auf der Toilette seines Anwesens. Die Dritte Panzerdivision zieht 1990 von Friedberg in den ersten Golfkrieg und kämpft im Irak.

Was bleibt, ist die Verbindung von Popkultur und Militär, die dieser Tage ein britischer Prinz in Afghanistan ähnlich zelebriert wie damals Schütze Presley. Die Frage, ob es die Panzerwaffe war, die den Kalten Krieg entschied, oder nicht doch die stärkere Waffe des Pop mit seinen Verlockungen des Konsums, vermag die Ausstellung nicht zu beantworten. Bei Betrachtung der vielen Singles, Jukeboxes und Bravo-Hefte, die den deutschen Markt bald überfluteten, erscheint der Soldat Presley als die mutmaßlich effektivste Waffe, die die Amerikaner jemals auf deutschem Boden stationiert hatten.

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