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Eugen von Savoyen: Der Multikulti-Prinz

"Türkensieger“ und Kunstsammler: Wien verklärt den Feldherrn Eugen von Savoyen.

In Österreich kennt jedes Kind das Lied vom „Edlen Ritter“, im weiteren Europa dürfte Prinz Eugen (1663 –1736) weniger bekannt sein. Der Held aus fremden Landen, von der Herkunft her savoyardisch, von Geburt französisch, im Habsburgerstaat gnädig aufgenommen und dort zum Mehrer des Reiches wie des eigenen Reichtums geworden – das ist eine Figur, deren Grenzen zu Fabel und Fiktion fließend geworden sind.

Welchen Anlass gibt es, sich heute seiner zu erinnern, jenseits jedenfalls habsburgelnder Nostalgie, wie sie in der Alpenrepublik noch stets virulent ist? Das Belvedere, wie sich das Museum österreichischer Kunst in den beiden Sommerschlössern Eugens vor den Toren des kaiserlichen Wien bündig nennt, hat keinen kalendarischen Anlass, sondern sieht „das Bild von einem der bedeutendsten Europäer“ zu wenig konturiert, wie die umtriebige Museumschefin Agnes Husslein-Arco meint, die zudem „seine Multikulturalität“ anführt. Das macht auch den Nicht-Österreicher neugierig auf die Ausstellung, die mit „Prinz Eugen. Feldherr, Philosoph und Kunstfreund“ überschrieben und von Marie-Louise von Plessen, deren Karriere am Deutschen Historischen Museum Berlin begann, zusammengetragen wurde.

In Wien hat das Vorhaben nicht nur Begeisterung geweckt. Der Verdacht lautet: Beschönigung einer historischen Persönlichkeit, die nicht nur ihre offizielle Glanzseite hatte, sondern auch die Schattenseite von Grausamkeit. Inwiefern da Maßstäbe des europäischen Kriegsvölkerrechts in die Vergangenheit projiziert werden, sei dahingestellt. Dass die strahlenden Siege zumal gegen die Türken, gegen das Osmanische Reich jedenfalls nicht mit der Haager Landkriegsordnung unterm Arm erfochten wurden, ist ohnehin klar.

Die Ausstellung im Sommersitz Eugens folgt der Biografie des prinzlichen Kriegsherren, um in diese Stationen die Feldzüge, Siege und die gewährten Dotationen der drei Kaiser, denen Eugen nacheinander diente, einzubauen. Die wiederum ermöglichten Eugen seine beeindruckende Sammeltätigkeit auf den Gebieten von Architektur, bildender Kunst und Bibliophilie. Der Prinz aus gutem Hause, wenn auch selbst mittellos, mit 20 in den Dienst der Habsburger getreten, nachdem ihn der französische Sonnenkönig zurückgewiesen hatte, machte eine kometenhafte Karriere und stieg zum mächtigsten Mann im Habsburgerreich auf, jenem eigentümlichen Staatsgebilde, dessen Oberhaupt Römischer – mithin deutscher – Kaiser war, das aber zugleich eigene Großmachtziele verfolgte.

Unter Eugen erreichte Österreich 1718 seine größte Ausdehnung überhaupt (bis 1739), durch die Zurückdrängung der Osmanen nach der Belagerung Wiens von 1683. Siege und Gebietsgewinne reihen sich aneinander. Dazu gab es den Spanischen Erbfolgekrieg und den Polnischen Erbfolgekrieg, an dessen Ende der sächsische Kurfürst als August III. von Polen bestätigt wird und der preußische Kronprinz, der künftige Friedrich II., den Feldherrn bewundern lernt.

Für die Ausstellung bleiben die Feldzüge lediglich Folie. Auf deren Hintergrund entfaltet sich Eugens Bau- und Sammeltätigkeit. Der Feldherr, nur ein Meter fünfzig klein und darum in Versailler Jugendjahren verspottet, erweist sich als grandioser Bauherr. Fischer von Erlach und Lucas von Hildebrandt, die beiden bedeutendsten Architekten des barocken Wien, entwerfen für ihn Schloss auf Schloss. Den „europäischen Kulturheros“, den die Kuratorin von Plessen herausstellen will, zeigt sie anhand seines europaweiten Netzwerkes von Agenten und Beratern, denen er, von wo auch immer, und sei es aus dem Feldlager, detaillierte Kaufanweisungen schickt.

So weit ist Eugens Leben zwar dichter, aber nicht ungewöhnlicher als das vieler Hochadliger Europas. Noch ist der Nationalstaat, ist die strikte Abgrenzung von Eigenem und Fremden nicht geboren. Anders im Verhältnis zu den Türken, die den fundamentalen Widerpart des christkatholischen Habsburg darstellen. Hätte die Ausstellung diesem Aspekt die gebührende Prägnanz verliehen, wäre sie über die erwartbar eindrucksvolle Darstellung der Leidenschaften des Prinzen hinaus wirklich interessant geworden. Denn zum Schrecken, den Wien 1683 spürte, gesellte sich die Faszination, die Beutegut so begehrenswert machte. Man sammelte osmanische Waffen, portraitierte den (gefangenen) Großwesir, man empfing auch bald wieder diplomatische Delegationen, man schloss sogar den allerersten reinen Handelsvertrag.

Eugens gewaltiger Besitz als wohl reichster Privatmann Europas wurde nach seinem Tod 1736 in alle Winde zerstreut. Der ehe- und kinderlose Feldherr hatte keinen direkten Erben. Sein Grundsatz, so eine Biografie kurz nach Eugens Tod, sei gewesen, „eine Frau sei für einen Mann des Krieges ein hinderliches Möbel“, und bereits zu Lebzeiten hieß es, er lasse sich „in seiner edlen Ambition durch kein Plaisir stören und ist ein Mars ohne Venus“. Was für ein Bonmot.

So fiel das Vermögen nach kaiserlichem Urteil an eine entfernte Nichte, die noch dazu in einem französischen Kloster lebte. Die Dame, deren geringen Liebreiz eine Wachsbüste von 1760 am Ende der Ausstellung boshaft deutlich macht, verkaufte die Gemälde nach Turin, die Möbel überallhin, die Bibliothek zum Glück ans Kaiserhaus, die sie zum Grundstock der prachtvollen (späteren) Nationalbibliothek machte; und auch die Schlösser in Wien und anderenorts kamen durch Maria Theresia in österreichischen Besitz. Anderes entflammte Sammelleidenschaft an entfernten Höfen. So wurde die antike Bronzeskulptur des „Betenden Knaben“ nach dem Ankauf durch Friedrich den Großen 1747 zum Mittelpunkt der Berliner Antikensammlung. Nicht viel von Eugens privatem Kulturkosmos ließ sich daher rekonstruieren, doch immerhin gelang es, den wertvollsten Kern der vergleichsweise gut dokumentierten Gemäldesammlung einigermaßen zusammenzutragen – nach 270 Jahren erstmals wieder in Wien, wie die Organisatoren betonen.

„Kein einziges gemaltes Bildnis des Prinzen Eugen“, so die Klage der Direktoren, befindet sich in den Sammlungen des Belvedere. Das macht die Ausstellung zumindest temporär mit einigen prachtvollen Staatsportraits wett: Eugen im Ornat des Ordens vom Goldenen Vlies, Eugen „als Türkensieger“ in der Schlacht von Belgrad 1717 und als repräsentativer Höhepunkt das vier Meter hohe Reiterbildnis von 1721. Da zertrampelt Eugen, den Marschallstab in der Rechten, die Türken, während Maria huldvoll aus dem christlichen Himmel herabschaut.

Keines seiner Kunstwerke, so betonen die Wiener Veranstalter, habe Prinz Eugen je geraubt. Also politically correct. Wer indessen, im Sinne Brechts, die Zeche tatsächlich bezahlt hat, lässt die Ausstellung im Dunkeln. Sie leuchtet kraft der Kunst, dieser Allesversöhnerin.

Bis 6. Juni, tgl. 10 –18 Uhr. Katalog im Hirmer Verlag, 38 €, im Buchhandel 45 €.

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