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Galerie Hilgemann: Asyl für Esel

Ironische Statements voller Melancholie und Kritik: Stephen Wilks in der Galerie Hilgemann.

In der Galerie Kai Hilgemann steht ein Karussell. Sieben Esel fahren mit. Und der Tod. Gemeinsam vollführen sie einen absurden Tanz. Der Tod, das sind skelettartige Figuren aus Holz. Sie haben die von Hand genähten Esel geschultert. Unerträglich langsam drehen sich die Paare, festgeschraubt auf Zahnrädern. Ebenso schleppend bewegt sich die Plattform des Karussells. Beklemmend. Doch auf verrückte Weise drollig. Die Figuren des britischen Künstlers Stephen Wilks scheinen Bilderbüchern entstiegen. Seine kulleräugigen Esel wecken Beschützerinstinkte, ebenso die Männchen, die sich mit ihnen abmühen. Doch was wie eine seltsame Kinderzimmerfantasie anmutet, ist ein Gleichnis für lebensphilosophische und gesellschaftliche Probleme.

Natürlich versinnbildlicht das fünf Meter breite Karussell (200 000 Euro) in der Ausstellung „What goes around comes around“ die menschliche Existenz und ihre Alltagsmühen. Die Anlehnung an mittelalterliche Totentanzdarstellungen ist offensichtlich. Während das Räderwerk des Lebens mahlt, tanzen die Schatten der Esel über die Wände. Die Bilder wirken wie Verstärker. Es sind großformatige Malereien, die Wilks hier erstmals präsentiert. Ausschnittweise greifen sie Motive der mechanischen Skulptur auf und erzählen sie fort. Der goldene Esel, der auf dem Karussell seine Kreise zieht, findet sich auf einer der Leinwände wieder. „Golden Donkey“ (18 000 Euro) zeigt den tierischen Gesellen in der Wüste. Die Ausstellung schließt an die künstlerischen Aktionen an, mit denen Stephen Wilks bekannt geworden ist. Seine Stoffesel sind überall in der Welt unterwegs. Vor zehn Jahren nähte Stephen Wilks, der mit einem DAAD-Stipendium nach Berlin kam, einen Esel und trug ihn huckepack durch die Stadt. Auf dieser kuriosen Reise stand die Welt Kopf: der Mensch schleppte das Lasttier. Es entstanden witzige, nachdenkliche, poetische Fotos. Bald sandte der Wahlberliner seine Stoffesel rund um den Globus. Die Leute, die ihnen Asyl gewährten, dokumentierten ihre Erlebnisse mit den tierischen Zeitgenossen in Fotos, Zeichnungen und Texten, die sie im Bauch des Esels weiter schickten.

Nicht nur in diesem materiellen Sinn sind die Esel bei Wilks mit Bedeutungen aufgeladen. Sie sind treue Reisegefährten, aber auch Sinnbild für die Ausgebeuteten und Notleidenden der Gesellschaft. Als Insassen des Karussells sind sie Gefangene. Wilks liebt das Spiel mit Metaphern. Ihm gelingen ironische Statements voller Melancholie und Kritik.

Galerie Kai Hilgemann, Zimmerstr. 90/91; bis 21. 11., Di.–Sa. 11–18 Uhr.

Jenny Becker

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