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''Goldener Drache – Weißer Adler'': König ist, wer Künste sammelt

China und Sachsen in der Zeit des Barock: eine prachtvolle Ausstellung im Dresdner Schloss.

Unkenntnis und Missverständnisse prägen das wechselseitige Bild von China und dem Abendland über Jahrhunderte hinweg. Auch als der Austausch von Luxusgütern im 17. und 18. Jahrhundert spürbar zunahm, blieb das Wissen voneinander gering. Doch Erzeugnisse aus der Fremde genossen hohes Ansehen; Porzellane und Seide hier, Uhren und mechanische Geräte dort. Die europäische Chinamode des Rokoko ist bekannt, der europäische Einfluss am chinesischen Hofe durchaus ebenso. Dass sich die Höfe Europas und der Kaiserhof von China allerdings in wesentlichen Formen ihrer Selbstdarstellung, Prachtentfaltung und Machtdemonstration geradezu gleichen, war zuvor noch nie im kulturgeschichtlichen Vergleich zu sehen.

Dieses Neuland erschließt die Ausstellung „Goldener Drache – Weißer Adler“, die am Wochenende im Dresdner Schloss eröffnet wurde. 400 Objekte, die Hälfte aus Dresdner Museumsbestand, die andere aus dem Palastmuseum Peking, zeigen in direkter Gegenüberstellung die himmelweiten Unterschiede der Ästhetik und erschließen die gleichartige Funktion von herrscherlichen Objekten.

Die Ausstellung in den ehemaligen Paradekammern des Dresdner Residenzschlosses überwältigt auf den ersten Blick mit schierer Fülle. Doch um Überwältigung geht es ja gerade, ging es seinerzeit im höfischen Barock. Der Besucher, Gast oder gar Bittsteller sollte vom Glanz der Mächtigen geblendet werden. Nicht die Person des Herrschers trat ihm entgegen, sondern die Herrschaft als solche. Diese genau abgezirkelte Konfrontation hat in Dresden ihren Höhepunkt mit der Gegenüberstellung des sächsisch-polnischen Thrones und seines kaiserlich chinesischen Pendants. Der sächsische Audienzstuhl von 1719 versinnbildlicht in allegorischen Darstellungen die Tugenden und Stärken des Hohen Herrn. Der chinesische Thron Qianlongs (reg. 1736-1795), aus indischem Sandelholz geschnitzt, ist durch den dahinter stehenden Wandschirm mit dem kaiserlichen Drachenmotiv als Sitz des Himmelssohnes gekennzeichnet. Weihrauch spendende Fabeltiere, die nach der Überlieferung Wahrheit von Lüge zu unterscheiden vermögen, flankieren den Sitz.

Form und Funktion fließen ineinander. Die vollendete Schönheit der herrscherlichen Möbel deckt sich mit dem Anspruch auf absolute Macht, die ihrerseits im strengen Regelwerk der überlieferten Vorstellungen vom guten Regiment eingehegt ist. Die Ehrerbietung, die dem Fürsten zusteht, überträgt sich auf sein Mobiliar. Wiederholt gibt die Dresdner Ausstellung eine Ahnung von den Empfindungen, die solche Objekte einst hervorgerufen haben, und von der strengen Logik der im Symbolischen gebändigten Herrschaft. So bei den Staatsportraits: August III. (reg. 1733-1763), der sorgsam auf sein Amt vorbereitete Sohn Augusts des Starken lässt sich und seine Gemahlin, eine Tochter des Habsburgerkaisers Joseph I., von Louis de Silvestre bald nach der Krönung in traditioneller Ikonografie malen. So auch Kaiser Qianlong in den späten Jahren seiner fast 60-jährigen Regentschaft – nur mit dem Unterschied, dass keinem gewöhnlichen Sterblichen der Blick auf ein solches Bildnis je erlaubt war, das in der weitläufigen Verbotenen Stadt bewahrt wurde.

Anders als das alphabetisch geordnete und darum weit über seinen Anlass hinaus wertvolle Kataloghandbuch folgt die Ausstellung übergreifenden Themen, die mit den wichtigsten Aspekten der Hofkultur vertraut machen. Hofstaat, Festlichkeiten, Jagd, prachtvolle Architektur prägen das Leben des Fürsten und seiner Umgebung. Der sächsische, für zwei Generationen um die Würde und Bürde der polnischen Königskrone bereicherte Hof kann, so Kuratorin Cordula Bischoff, durchaus für die Gesamtheit absolutistischer Höfe Europas stehen. Nicht, dass die politische Bedeutung Sachsens jemals an die der Großmächte herangereicht hätte. Doch ist der sächsische Hof im „augusteischen Zeitalter“ seiner beiden Doppel-Würdenträger geradezu das Musterbeispiel eines kulturell ambitionierten Hofes. In kurzer Zeit wurde in Dresden angehäuft, was anderswo über Jahrhunderte hinweg heranwuchs. Nirgends sonst in Europa, so Cordula Bischoff, ist das Erbe des 18. Jahrhunderts so reichhaltig bewahrt wie eben in Dresden. Von diesem Reichtum zehrt die ebenso durchdachte wie sinnliche Ausstellung, der großartige Höhepunkt der deutsch-chinesischen Gemeinschaftsvorhaben im olympischen Jahr.

Die beiden Augusts staffierten sich mit Kunst aus, um ihren stets prekären, quasi erkauften Königsrang zu festigen. Derlei hatten die chinesischen Kaiser wahrlich nicht nötig. Der Umstand allerdings, dass die seit 1644 herrschende Qing-Dynastie aus der mandschurischen Minderheit stammte, ließ ihre beiden bedeutendsten Vertreter Kanxi (reg. 1660-1721) und Qianlong mit besonderem, durch eigene künstlerische Ausübung beglaubigtem Eifer für Kunst und Kultur eintreten. Die Balance zwischen Mandschu-Tradition und adaptierter chinesischer Kultur, bereichert um das Erbe des tributpflichtigen, sorgsam ins Staatsgefüge eingebundenen Tibet, hatte eine bewundernswerte kulturelle Blüte zur Folge.

Von solcher Blüte, gleichermaßen in Orient und Okzident, handelt die Ausstellung. Die Förderung der Wissenschaften, beiden Höfen wichtig, gibt dem jetzigen Rundgang durch verschwenderische Pracht einen strengeren Abschluss. Die mechanischen Objekte, etwa großvolumige Uhrwerke, die der kaiserliche Hof aus Europa kommen ließ, geben eine Ahnung von den Reibeflächen zwischen Tradition und Fortschritt, die im Spätbarock kaum zu erahnen waren, im 19. Jahrhundert dann aber wirkungsmächtig werden sollten. Europa drang auf die vernunftmäßige Durchdringung der Natur, mögen auch frühe Experimente beispielsweise der Herstellung des so heiß begehrten Porzellans gedient haben. Von der eigentümlichen „Rationalisierung“ der westlichen Welt – im Sinne Max Webers – weiß die Ausstellung noch beinahe nichts. Sie erliegt ganz dem Zauber der Objekte, in den die Herrschaft der absolutistischen Monarchien sich einzuhüllen verstand.

Und wie begegneten sich Ost und West tatsächlich? Da muss die Dresdner Ausstellung auf England verweisen. Die Gesandtschaft Lord Macartneys brachte vorwiegend naturwissenschaftliche Geräte als Gastgeschenke mit. Kaiser Qianlong ließ ein Protokoll des Besuchs in kostbarer Hülle fassen. In Dresden ist das Dokument zu sehen. Es stammt aus dem Jahr 1798, als in Europa eine neue Zeitrechnung gerade eben begann. Mit ihr endete die Herrlichkeit der Höfe, wie zugleich der fruchtbare Austausch mit dem fernen Reich der Mitte.

Dresden, Residenzschloss, bis 11. Januar 2009. Begleitbuch im Hirmer Verlag, 612 S., 39,90 €, im Buchhandel 49,90 €.

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