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Jude mit Huhn: Ghettowelten im Berliner Kleisthaus

Die Synagogenbilder auf teils kolorierten Postkarten, verschickt zwischen 1905 und 1939, überwältigen kaum aufgrund ihres Formats, aber durch Vielfalt und schiere Menge.

In Deutschland gibt es sie mit Erkern, Kuppeln, Zwiebeltürmchen, Spitzbogenfenstern. In Ungarn trifft man auf klassizistische und romanische Modelle. In Wien sehen wir Exemplare, die sich in die Straßenfassade fügen wie manchmal katholische Kirchen in Berlin. Andere stehen in Serbien, Kroatien, Bosnien. In Böhmen und Mähren vermischt ihr Baustil urige Einfachheit mit orientalischer Schnörkelfantasie.

Die Synagogenbilder auf teils kolorierten Postkarten, verschickt zwischen 1905 und 1939, überwältigen kaum aufgrund ihres Formats, aber durch Vielfalt und schiere Menge. 450 Karten aus der Sammlung des Vorsitzenden der Prager Jüdischen Gemeinde zeigt das Kleisthaus: wo bis 1945 Goebbels residierte. Propaganda sind die „SMS“ des frühen 20. Jahrhunderts nicht. Sie verbinden flüchtige Lebenszeichen mit Souvenirs des Schönen, des Fremden, des Exotischen. Porträts, Kur-Szenen, die „jüdische Straße“, Feiertag, Folklore. Schläfenlocken, Tänze, Hüte, Bärte. Blicke zur Kamera, die auf etwas warten.

Manchmal sucht der Blick des Kartenverschickers ethnologische Kuriosität: „Jude mit Huhn“ (1917), „Mann mit Brotschnitte“ (1925), die Karikatur der Diskutierer im Park („Nu, hab ich’s gesagt?“). „Jamim mikedem“ heißt die Ausstellung: „vergangene Tage“. Unter einer versunkenen Versammlung auf dem Marktplatz steht: „Gebet bei Vollmond“ (1905). „Warschau, Ein glücklicher Tate“ ist der Spaziergang des Vaters mit seinen drei kleinen Jungen unterschrieben; gedruckt 1930.

Kleisthaus (Mauerstr. 53), bis 15. April, Mo–Fr 9–18 Uhr, Eintritt frei

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