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© Kerem Uzel/NarPhotos/laif

"Kopftuch-Biennale“: Freiheit für die Frommen

In Istanbul plant eine Gruppe von traditionell orientierten Künstlern eine "Kopftuch-Biennale“.

Einen Mülleimer will Hülya Yazici Aktas aufstellen, das ist schon klar. „Da sollen die Leute ihre Vorurteile reinwerfen“, sagt Aktas, Malerin und Kunstlehrerin in Istanbul. Der Eimer soll am Eingang einer Ausstellung stehen, wie es sie wohl noch nie gegeben hat. Eine bizarre Auseinandersetzung von traditionell-türkischen und modern-westlichen Künstlern: Zusammen mit einer Gruppe von Künstlerkollegen plant Aktas die erste „Kopftuch-Biennale“ der Türkei. Daher der Eimer: Aktas, die selbst die islamische Kopfbedeckung trägt, will eine Art Gegenrevolution einläuten und mit der Vorstellung aufräumen, dass fromme Muslime nichts mit Kunst im Sinn haben.

In ihrem Atelier im Istanbuler Stadtteil Maltepe bereitet sich die 45-Jährige auf die Ausstellung vor, die 2009 in der historischen Altstadt stattfinden soll, in der Nähe der Hagia Sophia und der Blauen Moschee. Religiöse Motive dominieren Aktas’ Bilder. Auf einem sind Jesus und Maria zu sehen, die auch von Muslimen verehrt werden, ein anderes zeigt die Kaaba in Mekka, ein drittes Mohammeds Himmelfahrt. Mit diesen Bildern hätte sie es im Kunstbetrieb schwer.

Aktas studierte an der Mimar-Sinan-Kunstakademie in Istanbul, verließ die Hochschule aber vor dem Abschluss. Damals entschied sie sich auch, das Kopftuch zu tragen. Heute kann sie sich nicht einmal Ausstellungen im Garten ihrer alten Uni anschauen – mit Kopftuch darf sie nicht mehr hinein. Ihr Geld verdient sie mit Malkursen, die sie im Auftrag der Stadtverwaltung von Maltepe leitet. Dort ist das Kopftuch kein Problem. Dennoch ist das Thema für Aktas wichtig geblieben. „Künstler müssen sensibel für die Probleme eines Landes sein“, sagt sie. Das Kopftuchverbot in Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen ist aus ihrer Sicht eines der größten Probleme ihres Landes: „In der Türkei werden die Rechte der Mehrheit, der Muslime, durch säkulare Kreise eingeschränkt.“

Der Kopftuchstreit ist Teil des Machtkampfes zwischen den traditionellen kemalistischen Eliten der Türkei und einer aufstrebenden, fromm-konservativen Mittelschicht, zu der auch Aktas gehört. Das Verfassungsgericht in Ankara hat über einen Verbotsantrag der Regierungspartei AKP zu entscheiden – weil die Partei von Premier Erdogan und Präsident Gül das Kopftuch an Universitäten erlauben will. Die „Kopftuch-Biennale“ ist ein Zeichen dafür, dass diese neue Mittelschicht auch auf künstlerischem Gebiet die alten Eliten herausfordert. Wenn es nach Aktas geht, wird die „Kopftuch-Biennale“ einen wesentlich politischeren Charakter haben, als die offizielle Istanbuler Biennale, die seit 1987 vor allem Westkunst präsentiert. In den letzten Jahren hat die zeitgenössische Kunst in Istanbul stark an Boden gewonnen, wovon man sich im neuen Ausstellungskomplex „Santral Istanbul“ am Goldenen Horn überzeugen kann. In der Türkei vertieft sich die Kluft der gesellschaftlich-religiösen Anschauungen. Die „Kopftuch-Biennale“ zeigt das deutlich.

„Wir sind gegen alle Verbote, auch gegen die Einschränkungen der Meinungsfreiheit“, beschreibt Aktas ihr Ziel. Neben traditionellen Malern wollen Fotografen und Filmemacher an der „Kopftuch-Biennale“ teilnehmen. „Wir wollen eine Debatte einleiten“, sagt Aktas.Doch ganz ohne Grenzen ist die fromme Künstlerfreiheit nicht. Werke, wie die dänischen Mohammed-Karikaturen, würden wohl kaum bei der „Kopftuch-Biennale“ ausgestellt werden können, gibt Aktas zu. „Das ist ein heikler Punkt.“ Schließlich ende die Freiheit des Einen da, wo die Freiheit des Anderen beginne. Und mit den Karikaturen sei diese Grenze verletzt worden.

Doch diese Grenze ist nichts Absolutes, sie verläuft für jeden anders. Und die Moderne hat sich immer schon über Tabubrüche definiert. So könnten sich frommere Muslime als Aktas durchaus über die Werke der Malerin aufregen, etwa über die Darstellung des Propheten Mohammeds in ihrem Himmelfahrtsbild. Für Aktas selbst ist das Bild keine Gotteslästerung: Mohammed habe ein Darstellungsverbot mit Blick auf die in seiner Zeit in Arabien verbreitete Götzenanbetung ausgesprochen, sagt sie. Und diese Zeit sei ja längst vorbei.

Tatsächlich gibt es in der islamischen Welt keinen Konsens darüber, was in der Kunst abgebildet werden darf und was nicht. Abbildungen von Gott selbst – wie in der Kunst des christlichen Abendlandes – sind zwar tabu. Doch jenseits dieses Verbots reicht das Spektrum der Auslegungen vom irren Fundamentalismus der afghanischen Taliban, die sogar uralte buddhistische Statuen in die Luft sprengten, weil sie die Kunstwerke als Gotteslästerung betrachteten, bis hin zur Darstellung des Propheten Mohammeds, wie Aktas sie malt. Die Malerin räumt ein, dass es strenggläubige Muslime gebe, die mit ihren Bildern Probleme hätten. Aber das Wichtigste sei, über die Differenzen zu reden – wie beim Thema Kopftuch.

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