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Art Basel Miami Beach

© Courtesy MCH Swiss Exhibition (Basel/Zurich) AG

Kunstmesse: Überfluss unter Palmen

Glamour und Glück: Die viertägige Art Basel Miami Beach punktet mit Stars und Superlativen.

Als habe jemand eine Handvoll Svarowksi-Kristalle auf den Boden gestreut, so glitzert Miami, wenn man nachts mit dem Flugzeug über der Stadt einfliegt. Am Morgen darauf weckt einen die Sonne, und es wird klar, dass dieses Strahlen, vor allem aber das Ausufern, längst ein Trend der Art Basel Miami Beach geworden ist. Auf keiner anderen Kunstmesse wird so viel Haut gezeigt, nirgendwo sonst sehen alle Frauen wie Ende zwanzig aus, und nur hier sind die Fingernägel der Garderobieren so lang, dass sie zur Preview-Party minutenlang an den abgegebenen Taschen nesteln müssen, bis die Nummernzettel endlich zuverlässig justiert sind.

Vor allem aber wird „America’s Favorite Art Show“, wie sich der sechste Kunstmarkt unter Palmen völlig unbescheiden – und ganz zu Recht – nennt, von zahlreichen Satellitenmessen umkreist. Unmöglich, die Menge an ausgestellter Kunst während der Messewoche zu bewältigen. Ob Pool Art Fair, Aqua Art Miami, Pulse Miami, Fountain Miami oder Bridge Miami – jeder Winkel der Stadt scheint mit Kunst vollgestellt. Nicht zu vergessen die beiden Konkurrenten Nada und Scope – zwei Messen, die selbst schon etabliert sind und auf denen viele junge Berliner Galerien gute Geschäfte machen.

Und dennoch überstrahlt die Art Basel Miami sie alle, mit ihren 200 Galerien, großartiger Kunst der Gegenwart bis weit ins 20. Jahrhundert und Stars wie Lenny Kravitz, Lou Reed oder Iggy Pop, der nach der Eröffnung ein Konzert am Strand gab.

Glamour und Happiness, das Duo macht Appetit auf Kunst. Weshalb sonst sollte Friedrich Christian Flick eigens nach Miami fahren, um dort bei der Züricher Galerie Hauser und Wirth eine exzessive Installation von Christoph Buechel für seine Sammlung zu kaufen? „Training Ground for Training Ground for Democracy“ (250 000 Dollar) heißt das Chaos aus Kinderspielzeug, arabischen Propagandafilmen und vergammelnden Lebensmitteln, das an konspirative Verstecke erinnert und demnächst im Hamburger Bahnhof aufgebaut werden soll.

Flicks Coup war nur einer von vielen Ankäufen zum Auftakt jener viertägigen Supershow mit Werken unter anderem von Andy Warhol, Jean-Michel Basquiat, Anselm Kiefer, Mario Merz, Joan Miró, Jean Dubuffet und Henri Michaux, dessen „Acteur japonais“ bei der kanadischen Galerie Landau gleich zu Beginn für 6,5 Millionen Dollar aus der Koje ging. Ein deutscher Käufer erwarb von der Galerie Thaddaeus Ropac ein Baselitz-Bild für 600 000 Dollar, eine Fotografie von Andreas Gursky wechselte für 900 000 Dollar von der Galerie Matthew Manks in ein amerikanisches Privatmuseum.

Shoppen geht man in Miami Beach allerdings jeden Tag. Das Wetter ist perfekt, die Partys sind zahllos und am Eröffnungstag trotz exklusivem Sammleraufgebot die Geschäfte längst noch nicht gemacht. So kann sich Michael Zink aus München und Berlin über gleich drei Reservierungen für „Oswald’s Dream“ von Marcel van Eden freuen, der nicht eben Miami-kompatibel ist: Während vor allem die New Yorker Galerien auf Großformate setzen, ist Edens 38-teiliger Zyklus auf kleine Blätter mit Bleistift gezeichnet. Allerdings haben fast alle Berliner Galerien in Miami ihre eigene Strategie. Bei Eigen + Art, diesmal ohne Leipziger im Gepäck, wird täglich umgehängt, damit mehr vom einzelnen Künstler zu sehen ist. Und bei Neugerriemschneider ist der große Stand mit schimmernden Lampen und einem Holzfußboden mit Spiegelintarsien ausgestattet, der die Sammler in Entzücken versetzt: Für eine Bodenarbeit wäre auch im längst mit Kunst überfüllten Privathaus noch Platz.

Pardos Objekte, die Zwitterwesen zwischen Kunst und Design, sind allerdings mehr als nur begehrte Beute. Sie bilden eine Brücke zu jenem Thema, das in Miami immer wichtiger wird: die Nähe beider Segmente. Mit Design Miami eröffnet downtown nur zwei Tage später eine weitere Messe. Morgens sitzt ihr Erfinder Craig Robins in seinem „Aqua House“ am Wasser und empfängt Gäste – zwischen Möbelikonen der Moderne und einem Gemälde von Thomas Scheibitz. Das ist das Rezept: Man kombiniert bestes Design mit bester Kunst und beweist damit Stil. Und am frühen Abend, bei der überfüllten Preview-Show der 26 internationalen Design-Galerien, ist ein Preis von 800 000 Dollar für einen Tisch aus den zwanziger Jahren selbstverständlich: Das seltene Möbel steht schließlich auch im Museum of Modern Art.

Auf allen vier Etagen des Art-Deco-Gebäudes wird sichtbar, was die Händler unter Design verstehen. Organische Möbel der Architektin Zaha Hadid neben Plastikkanistern, die die Campana-Brüder zu experimentellen Lampen verwoben haben. Eine bewohnbare Stoffwurst aus dem Atelier Lieshout, das gern auch in reinen Kunstausstellungen auftaucht. Die Stühle von Tokugin Yoshika, Designer des Jahres 2007, dessen „Rainbow Chair“ aus Acryl zwar das Sonnenlicht einfängt, ansonsten aber ein ziemlich unbequemes Kunststück ist. Und im Erdgeschoss streicheln die Gäste den Lack eines massigen Cabriolets, mit dem man sofort nach South Beach fahren möchte. Dabei handelt es sich um ein reines Conceptcar von Messe-Sponsor Audi.

So sind sie, die Objekte des 21. Jahrhunderts: Sie beginnen, das tägliche Leben komplett zu ästhetisieren. Und so greift das strahlende Miami mit seinen Messen immer noch ein bisschen weiter um sich.

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