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Kunststücke: Dünn & zart

Anne Schreiber widmet sich dem Thema Papier.

Mit Papierarbeiten von sieben Künstlern aus Kanada, Schweden und Finnland richtet man derzeit im kleinen Ladenraum von oqbo den Blick nach Norden. Ein kuratorischer Hinweis auch auf die Lage der Non-Profit-Erzeugergalerie? Seit einem Jahr veranstalten sieben Künstler in der Brunnenstraße, oberhalb der Bernauer und damit sehr weit nördlich vom bekannten Galerienviertel, erfolgreich Ausstellungen zu Papierarbeiten. Die aktuelle Schau ist eine der ersten kuratierten, diesmal von zweien der oqbo-Betreiber: Peter Freitag und Ruprecht Dreher. Dreh- und Angelpunkt für die Auswahl und ihre Präsentation ist der Norden als existenzielle Disposition. Licht, Distanz, Leere spielen eine Rolle, aber auch die Verbindung von traditioneller Kultur und zeitgenössischer Kunst wie bei der kanadischen Inuit-Künstlerin Annie Pootoogook. Geschlechterthemen, zeitgenössische Medien, psychologisch aufgeladene Situationen sind die Themen ihrer naiv wirkenden Zeichnungen. Dem voreingenommenen Blick auf eine indigene, authentisch gewachsene Kultur entgegnet Pootoogook mit wenig romantischen Bildern. Neue Technologien oder Darstellungen häuslicher Gewalt kontrastieren mit der traditionellen Zeichenkunst der Inuit. Die Künstlerin bildet damit schon die dritte Generation weiblicher Künstlerinnen in ihrer Familie und ist damit sehr erfolgreich. Nach der Verleihung des kanadischen Sobey Award 2006 wurden 2007 Arbeiten von ihr sowohl auf der Montreal Biennale als auch auf der documenta ausgestellt (Brunnenstraße. 63, bis 3. Oktober).

Ein paar Meter weiter steht der Erzeugermarkt, ein weiteres Ausstellungsformat von oqbo, das wenige Tage im Jahr angemietet wird. Im ehemaligen Supermarkt eröffnet heute „paperfile“, ein Archiv an Zeichnungen, das in regelmäßigen Abständen aufgestockt wird. Ähnlich wie im Kupferstichkabinett können Besucher die Zeichnungen aus einem Schrank selbst entnehmen. Einige große Arbeiten wie jene der Künstlerinnen von osorno Projekt – Anke Becker, Veronike Hinsberg und Inken Reinert – werden gehängt. Die ehemaligen Absolventinnen der Kunsthochschule Weißensee arbeiten seit einiger Zeit kollaborativ. Ihre Zeichnungen tauschen sie untereinander aus. Zu sehen ist jetzt ein 3 mal 2,50 Meter großes Papier, das sich aus kleinen Blättern zusammensetzt. Damit will sich das Trio vom eigenen Thema ebenso entfernen wie von eingefahrenen Techniken. Es entstehen Arbeiten auf Augenhöhe, die etwas von DIY-Kultur haben, ohne ihre technische oder ästhetische Komplexität einzubüßen. Das passt zur interdisziplinären Arbeitsweise, zur Offenheit für neue Veranstaltungsformate von oqbo – und zum Wedding (Brunnenstraße 64, Eröffnung: heute 19 Uhr, bis 27. September).

Anne Schreiber

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