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Listros Verein und Galerie: Schrott zu Gold

Versuche über ein fremdes Land: Raffael Rheinsberg und Lilli Engel bei Listros.

Diese Kronen würde sich wohl kaum ein König aufsetzen können, so schwer und so groß, wie sie sind. Doch der Eindruck täuscht. Längst hat der Betrachter die 45 rostig-roten, kiloschweren Bohrköpfe für sich in edelste Insignien einer Majestät umgewandelt. Unversehens strahlen sie eine Erhabenheit und Grandezza aus, die Respekt gebietet, zumal in ihrer reihenweisen Platzierung. Die vermeintlichen Kronen stammen aus Brasilien, wo Goldsucher die individuell aus Schrottteilen zusammengeschweißten Gebilde einfach am Ufer des Amazonas oder Rio Madre zurückließen, nachdem keine Funde mehr zu machen waren.

Der Berliner Künstler Raffael Rheinsberg ist ein Meister im Aufspüren solcher aufgeladenen Fundstücke, wahrer Schätze, wie sich im Nachhinein immer wieder herausstellt – und berühmt für deren Umwidmung durch schlichtes Auslegen auf Museumsböden. In der Galerie Listros gelingt ihm dies ein weiteres Mal, mit leichter Hand, auch wenn die Bohrköpfe nur schwer zu bewegen sind. Allein der Titel seiner Installation „Der blinde König sucht sein verlorenes Reich“ schickt die Gedanken auf Reisen, genauer: nach Äthiopien, wo jedem König traditionell eine neue Krone gefertigt wird. Lilli Engels Bilder rundum an der Wand, die aus ausrangierten Segeltüchern und Lastwagenplanen bestehen, öffnen den Horizont für den Gedankenflug.

Das Künstlerpaar unternimmt eine „west-östliche Annäherung“, denn auf Einladung von Listros e.V., der die Galerie unterhält, und der Addis Ababa University School of Fine Arts and Design werden sie im nächsten Jahr nach Äthiopien reisen, um das Land selbst kennen zu lernen. Ihre „Versuche über ein fremdes Land“, so der Untertitel der Ausstellung, sind nur ein Prolog. Doch bereits aus der Ferne fasziniert sie die reiche Kultur des Landes, die Geschichte der Königin von Saba und des weisen Königs Salomon, die eng mit dem Gründungsmythos Äthiopiens verbunden ist.

Raffael Rheinsberg schwingt sich schon jetzt auf in die Ferne und formuliert „Fragen der Königin von Saba“, bestehend aus zurückgebliebenen Kranhaken einer ehemaligen DDR-Metallfabrik. Wie Fragezeichen liegen die ihrer Größe nach geordneten Haken auf dem Boden. „König Salomos Antwort“, die dritte Installation der Ausstellung, könnte nicht poetischer ausfallen: Dutzende rote Holzbuchstaben von einem Kino in Sao Paolo sind als flaches Feld übereinander gestapelt ausgebreitet. Zu entziffern ist die Antwort nicht. Sie bleibt Salomos Geheimnis. Nicola Kuhn

Galerie Listros, Kurfürstenstr. 33; bis 30. 9., Di–Fr 10–18 Uhr, Sa 10–16 Uhr.

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