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Malerei: Claudia Rößger: Unheilig

Sie schreckt weder vor Neonfarbe zurück, noch davor, ein Gemälde "Scheißhaufen" zu nennen: Claudia Rößgers Malerei in der Maerzgalerie.

In der Maerzgalerie herrscht später Karneval. Bunt, grell und laut geht es hier zu: Dicke Striche erinnern an Luftschlangen, farbige Kugeln an Konfetti und Bonbons. Und die Wesen, die Claudia Rößger auf die Leinwand zaubert, tragen auch mal Kostüm. Als seien sie mit ihren zu langen Nasen und zu kurzen Beinen, den komischen Hüten und finsteren Blicken nicht schon sonderbar genug. „All my saints“ heißt die Solo-Ausstellung der Künstlerin aus Mittweida, sie hat in Sachsen studiert und lebt in Berlin. Heilig – oder wenigstens unschuldig – sind jedoch höchstens die Preise ihrer Zeichnungen: Die gibt es bereits für 300 Euro.

Claudia Rößger scheut wenig. Sie schreckt weder vor Neonfarbe zurück, noch davor, ein Gemälde „Scheißhaufen“ zu nennen. Einem kleinen Jungen setzt sie einen Schnabel auf, lässt ihn eine stolze, fast militärische Haltung einnehmen. Er wirkt seltsam erwachsen. Einem Tier mir saurierartigem Hals verpasst sie ein Menschengesicht. Es wirkt seltsam natürlich. Schön sind die Kreaturen irgendwie trotzdem. Von klassischer Schönheit halten sie zwar nicht viel und ebenso wenig von Harmonie, Ebenheit oder Ästhetik – wohl aber von ihren Makeln, ihren persönlichen Besonderheiten. Die stellen sie selbstbewusst zur Schau. So ungewöhnlich dieses Zwischending aus Schnecke und Schlange aussehen mag, in grün, stellenweise gemustert und mit einem Kopf an beiden Enden, man nimmt es ernst (5900 Euro). Weil es uns aus ehrlichen Augen ansieht, herausfordernd, fragend. Weil es sich um den ganzen Zirkus herum – die Luftballons, die hinter ihm aus einer Truhe fliegen, die Farbe, die achtlos an ihm heruntertropft – nicht zu kümmern scheint.

Aus Träumen, Vorstellungen und Angst schöpft Claudia Rößger ihre Inspiration. Aus Sagen, Mythen, Kultdarstellungen oder dem Varieté. Kein Wunder, dass sich da manchmal auch der Teufel in ihre Bilder schleicht. Oder eine Frau mit schwarzer Rakete unterm Arm. Oder dieser Halbtote, dem ein Sarg in den eigenen Körper gerutscht ist. Sämtliche Techniken kommen für die Künstlerin dabei infrage. Sie setzt Gelb neben Pink und Bleistift neben Ölfarbe.

Wer so viel Einsicht ins Innenleben gewährt, wird fairerweise zelebriert: Zum sechsten Mal stellt die 1977 geborene Künstlerin nun in der Maerzgalerie aus, einer Adresse, die sich gerade selbst feiert. Seit zehn Jahren gibt es die Galerie in Leipzig, seit einem Jahr ihre Dependance in Berlin-Mitte.

Maerzgalerie, Sophienstr. 21; bis 24. April, Di - Sa 11-18 Uhr.

Annabelle Seubert

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