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Peter Roehr: Transzendenz des Immergleichen

Schwarze Tafeln, rote Kaffeedosen, geweißte Streichholzschachteln: Die Arbeiten des jungen Peter Roehr Mitte der Sechziger hatten etwas von Warhols Pop Art, von Robert Rymanns Konzepten und Malewitschs Minimalismen. Frankfurt erinnert gleich doppelt an den Pop-Artisten.

Wer sagt schließlich, dass Künstler nur einer Richtung angehören können? Jedes Werk ist ein Dialog, mit sich, seiner Umwelt, mit Werken anderer – Lebender und Toter. Und jedes große Werk strahlt weiter, über den Tod seines Schöpfers hinaus. In einer Doppelausstellung zweier bislang konkurrierender Frankfurter Museen, des Städels und des Museums für Moderne Kunst, ist dies derzeit an der Kunst Peter Roehrs neu zu entdecken.

Den Anstoß zur Werkschau gab der Ankauf von Roehrs letzter Werkgruppe durch das Städel. Die zehn zusammengehörigen Tafeln, bestehend aus je sieben mal fünf monoton schwarzen Quadraten, sind Bilder nach dem proklamierten Ende der Malerei – zehn Jahre nach Yves Kleins weißleerem Galerieraum in Paris. Roehr, ein Kriegskind (Jahrgang 1944), der 1956 mit seiner Mutter aus dem Osten in den Westen übersiedelte, mit 15 eine Lehre als Schilder- und Leuchtreklamehersteller begann, geriet um 1960 in Frankfurt in eine sich dem Industriellen öffnende Kunstszene. Während seines sehr kurzen Lebens – mit 23 starb er an Krebs – hatte er es zwei Einzelausstellungen in der Avantgarde-Galerie Seide. Seine seriellen Abbildungen – von Hochhauskulissen etwa, die sich in VW-Käfer-Kühlerhauben spiegeln, von Türgriffen, Rücklichtern und Föhnfrisuren rückten die Begegnung mit der Wohlstandswarenwelt neu in den Blick.

In Roehrs unscheinbaren Lochkarten- Arbeiten von 1963, die im Städel hängen, vernimmt man eine Grundmelodie seines Schaffens. Funker benötigen Lochkarten zur Vermittlung von Botschaften, Statistiker zur Verkartung der Gesellschaft. Neu war damals, dass ganze Produktionen durch Löcher gesteuert wurden. Karten als Stanzvorlagen für Flaschen, Suppendosen und Kühlerhauben. Anders ausgedrückt: die Ordnung der Löcher gibt unserer Welt (ihre) Gestalt.

Peter Roehrs Arbeitsweise ist eintönig – er hat ein Konzept, an das er sich fünf Jahre hält, richtiger: eine künstlerische Frage, der er fünf Jahre nachgeht. Dabei verwendet er ausschließlich industriell gefertigte Produkte, die er nebeneinander zu Bildflächen montiert. Roehr hat das Viereck nie verlassen. Seine Knöpfe, Adressaufkleber oder Prospektausschnitte kennen keine Varianz: „Ich verändere Material, indem ich es unverändert wiederhole.“ Kann man, so die Frage, durch Repetition eine zweite, transzendente Bildebene erschließen? Mit 18 Jahren begegnete Roehr dem Sammler und Galeristen Paul Maenz, der seit 1971 sein Werk betreut. Die Frankfurter Doppelausstellung zeigt, mit welcher Kraft, Konsequenz und Konsistenz dieser junge Künstler, auf der Höhe der damaligen ästhetischen Fragen stehend, sich eine eigene starke Bildwelt schuf. Marie Luise Knott

Frankfurt, Städel / Museum für Moderne Kunst, bis 7. März; Katalog (Imhof Verlag) 184 Seiten, 24,90 €

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