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Rembrandts Jahrhundert: Unter die Reeder gekommen

Hollands Kunst und Handel: Die Wiener Albertina präsentiert "Das Zeitalter Rembrandts".

Gerade fünf Jahre liegt sie zurück, die große Rembrandt-Retrospektive in der Wiener Albertina, mit der sich das Haus kurz nach seiner Wiedereröffnung präsentierte. Nach der überaus erfolgreichen Van-Gogh-Ausstellung mit über einer halben Millionen Besucher im vergangenen Jahr muss nun der nächste Blockbuster her. Rembrandt geht immer, er ist der Superstar, zumal in einem Haus, das sich auf Papierarbeiten spezialisiert hat. Nun aber soll es nicht der Meister allein, sondern sein Jahrhundert insgesamt sein sein, über den eigenen Sammlungsbestand an Zeichnungen und Grafiken hinaus wird auch Malerei mit Leihgaben aus Dresden, Hamburg und Budapest gezeigt.

Wo für den Ausstellungsbesucher bisher große Namen eine Schneise in die schier unüberschaubare Vielzahl an Künstlern und Werkstätten schlugen, bricht nun die ganze Fülle einer hyperkreativen Region herein. Statistiken nach muss in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts jeder fünfte Holländer ein Künstler gewesen sein. Natürlich präsentiert die Wiener Albertina nur die Besten, immerhin noch siebzig Positionen mit 150 Papierarbeiten, dazu 40 Gemälde. Genauso gut hätten sie 150 Künstler zeigen können, so Albertina-Kuratorin Marian Bisanz-Prakken.

Um eine gewisse Ordnung zurückzugewinnen, schwenkt die Ausstellung ins einstige System der Fachmaler ein. Der damalige Kunstmarktboom war durch die enorme Nachfrage des erstarkten Bürgertums ausgelöst. Bestimmten andernorts Hof und Kirche als Auftraggeber die Produktion, so bestellten in den zur globalen Handelsnation aufgestiegenen Niederlanden Kaufleute und Reeder bei den Malern ihre Bilder. Ihre von nüchternem Realitätssinn, weniger von höfischen Ritualen geprägte Sicht auf die Welt schlug sich auch in den Motiven nieder: der Stolz auf das eigene Land in den Landschaftsbildern, der Erfolg des Überseehandels in der Marinemalerei, der derbe Humor in den Darstellungen vom Treiben in Kneipen, das Wissen um die Vergänglichkeit in den Vanitasmotiven, den herrlichen Blumengestecken und Früchtestillleben.

Angesichts dieser überwältigenden Mannigfaltigkeit bleibt nichts anderes übrig, als sich durch die Räume, die Gattungen treiben zu lassen und für sich die schönsten Bilder, die bewegendsten Malerviten zu entdecken. Die große Konkurrenz machte den Künstlern trotz vermeintlich „goldener“ Zeiten das Leben nicht leichter. Herman Henstenburgh, den die Albertina mit zwei Früchtestillleben neu entdeckt, verdingte sich als Pastetenbäcker, der Landschaftsmaler Daniel Schellinks arbeitete als Seidenhändler, und der Marinemaler Ludolf Bakhuizen war ursprünglich Buchhalter bei einem italienischen Kaufmann, als Spezialist für in Seenot geratene Segelschiffe aber wurde er berühmt. Zu Herzen geht das Schicksal des jüngsten Sohnes von Gerard ter Borch. Das hochbegabte Künstlerkind meldete sich freiwillig zur holländischen Flotte und kam mit 22 Jahren bei einer Seeschlacht zwischen England und Holland um. Aus seinem weit verstreuten, schmalen Nachlass stammt ein nur wenige Zentimeter großes kindliches Selbstbildnis in Kreide auf blauem Papier, das seine frühe Könnerschaft beweist.

Schnell landet man wieder bei Rembrandt, dem als Virtuosen aller Genres, aller Techniken ein eigener Saal eingeräumt ist. Seine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Person im Bild macht ihn noch heute für uns greifbar. Fünf Selbstbildnisse von insgesamt 92 sind in der Ausstellung zu sehen und zeigen die kritische Bestandsaufnahme mit dem eigenen Status und Alter. 1639 zeigt sich der 33-Jährige noch als Künstlerfürst in der kühnen Pose eines Tizian, in Anlehnung an Raffael. Neun Jahre später blickt er mit gestutzter Lockenmähne und gekürztem Bart über seine Radierplatte hinweg ernst auf den Betrachter. Noch einmal sieben Jahre später entstand das gemalte Selbstbildnis aus dem Besitz des Wiener Kunsthistorischen Museums, in dem er sich schonungslos mit Doppelkinn und schlaffer Gesichtshaut wiedergibt und doch durch die Kraft seines Blicks, die Konzentration des Lichts auf die vorragende Wangen- und Nasenpartie geradezu magisch anzieht.

Zu sehen ist natürlich auch das Hundertguldenblatt mit der Darstellung des segnenden Christus, das seinen Namen durch den überlieferten Preis erhielt. Hinzu kommen „Die Drei Kreuze“ sowie „Christus wird dem Volke vorgeführt“ in zwei Druckfassungen. Sie weisen Rembrandt als den alle anderen überragenden Radierkünstler aus, der selbst im kleinen Format riesige Figurengruppen komponiert und durch Lichtführung dramatisch organisiert. Landschaften, Tierbildnisse, Porträts, Genreszenen – ob gezeichnet, radiert, aquarelliert oder in Öl gemalt, alles hatte Rembrandt in seinem Repertoire. Er ist bis heute die Sonne, die alles überstrahlt. Zugleich lassen sich in seinem Licht Neuentdeckungen machen.

So mag Rembrandts Zeichnung von einem Elefanten zwar berühmter sein, denn selbst bei der Tierdarstellung beweist der Künstler Empathie. Doch plötzlich rückt auch Roelandt Saverys Exemplar von 1608–12 in den Blick. Das gewaltige Tier reibt sich nach einem Libellenstich behäbig an einem Baum. Der Albertina-Begründer Herzog Albert von Sachsen-Teschen erwarb die Kreidezeichnung für seine Sammlung. Die Botschaft, dass auch kleine Feinde die Großen zu irritieren vermögen, störte ihn offensichtlich nicht. Erst dreißig Jahre später malte übrigens Rembrandt seinen Dickhäuter.

Albertina, Wien, bis 21. 6.; Katalog 29 €.

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