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Starling

© dpa

Starling-Ausstellung: Wenn die Linde Blüten trägt

Humboldts Spuren: Eine Ausstellung des Briten Simon Starling in der Temporären Kunsthalle Berlin.

Man kennt das von diversen Kakteenfenstern: Liebhaber statten ihre Sukkulentensammlung mit allem aus, was überlebenswichtig ist – das richtige Licht, ein bisschen Hydrokultur und jede Menge pflanzliche Gesellen. So erwächst auf der blanken Fensterbank irgendwann ein unübersichtliches, überbordendes Exil mit Kunstlicht und Schläuchen, die mehr an eine Intensivstation denn ein Paradies für Exoten denken lassen.

Solch einem System der Zu- und Abflussrohre ist auch die jüngste Installation von Simon Starling unterworfen. Ein geschlossener Kreislauf aus Wasser und Wärme, der vor allem zeigt, wie wenig sich die Temporäre Kunsthalle in Berlins Mitte für Gewächse aus der Wüste eignet. Um dem mannsgroßen Kaktus, den Starling schon vor einigen Jahren aus Andalusien nach Deutschland transportiert hat, die geeigneten klimatischen Bedingungen zu bieten, schaltete der britische Künstler seinen alten Vovo außerhalb des Gebäudes an, dessen imposanter Motor nun in der Kunsthalle liegt und leise vor sich hin brummt. Dass er dabei jede Menge Abgase produziert, von denen der Besucher allerdings wenig mitbekommt, ist Teil der künstlerischen Strategie. Wer macht sich schon Gedanken darüber, welchen Preis die Umwelt für die Installation eines botanischen Gartens oder eines ganzen Zoos bezahlt, dessen Insassen arktische oder tropische Bedingungen für ihre Anwesenheit verlangen?

Mit solchen Überlegungen traktiert Simon Starling sein Publikum allerdings nur diskret. Wer die Temporäre Kunsthalle am Schloßplatz im Rahmen ihrer zweiten Ausstellung betritt, den erwartet erst einmal eine disparate Installation, die sich nur schwerlich unter dem Titel „Under Lime“ zusammenfassen lässt: der Kaktus, ein Automotor, diverse Kabel und ein gewölbeartiges Lehmziegelhaus, in dessen Inneren ein halbes Dutzend originale Fotografien von Karl Blossfeldt warten. Und weil der Kaktus, den Simon Starling aus der Wüste Andalusiens mit seinem Volvo erst in das kühle Frankfurt und dann in das auch nicht mildere Berlin verfrachtet hat, die Wärme des Verbrennungsmotors liebt, müssen Blossfeldts fragile Aufnahmen im feuchtkühlen Klima eines Gewölbes ausharren.

Die konservatorischen Bedingungen des fotografischen Abbildes resultieren aus den Bedürfnissen der realen Pflanze. Was für ein absurder Widerspruch. Und welch ein perfektes Thema für einen Künstler, der seit vielen Jahren solchen Transformationsprozessen auf der Spur ist. Dass beide Arbeiten für unterschiedliche Kunstorte entstanden und nun in Berlin aufeinandertreffen, mindert die Wirkung der Installation nicht. Für Starling, der 2005 mit dem begehrten Turner-Prize ausgezeichnet wurde, sind nahezu alle Arbeiten Versatzstücke, die später wieder aufeinandertreffen und neue inhaltliche Verbindungen eingehen können. Was in der Temporären Kunsthalle vielmehr verwirrt, ist die schwache Arbeit, die der Ausstellung den Titel gibt: „Under Lime“.

Unter den Linden – das ist ein Versprechen und eine Positionierung zugleich. Schließlich besetzt die Temporäre Kunsthalle ein Stück Grund des künftigen Schlosses im Herzen der Stadt. Da wünscht man sich von einem herausragenden Künstler wie Simon Starling, der ein expliziter Verfechter des Umständlichen und der Konnotationen ist, ein wenig mehr als Rückbezügliches. Viel anderes aber lässt sich aus dem verzweigten Lindenast, den der Künstler mit einer Kettensäge vom benachbarten Boulevard getrennt und unter dem Dach der Kunsthalle installiert hat, nicht erkennen. Dass die Linde ein symbolschwerer Baum der Deutschen und der Boulevard eine alte Verbindung zwischen dem Schloss und dem historischen Jagdrevier Tiergarten ist – diese Lesart der jüngsten Arbeit legt der Katalog zur Ausstellung nahe.

Wo sich aber die Politik zur restaurativen Interpretation eines Ortes entschieden hat, sollte man von einem zeitgenössischen Künstler mehr als vorsichtige Rückbesinnung erwarten dürfen. Ein klares Bekenntnis zum Ort wäre hilfreicher – zumal sich abzeichnet, dass sich die temporäre Lösung einer Kunsthalle auf dem Schloßplatz schneller institutionalisiert, als zuvor für möglich gehalten. Aber was ist schon ein Provisorium gegen die Ewigkeit einer Rekonstruktion, deren Inneres längst noch nicht erschlossen ist. So gesehen ist ein Zweig, der noch Blüten treiben könnte, doch der passende Kommentar.

Temporäre Kunsthalle, Schloßplatz, bis 18. März

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