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Tief tauchen: Stiftung hütet Alfred Ehrhardts Fotografien

Er sah reine Schönheit im Murex tenuispina oder im Trophon geversianus. Alfred Ehrhardt dokumentierte Korallen, Muscheln und Seesterne als kostbare Einzelstücke in Schwarz-Weiß.

Er sah reine Schönheit im Murex tenuispina oder im Trophon geversianus. Alfred Ehrhardt dokumentierte Korallen, Muscheln und Seesterne als kostbare Einzelstücke in Schwarz-Weiß. Bis in die sechziger Jahre drehte er an die 60 Filme und Dokumentationen über das Watt, Gletscher, Landschaften – und auch hier immer wieder: das Meer mit seinen filigranen Gebilden. Ehrhardt (1901-1984) zählt zu den Vertretern der Neuen Sachlichkeit, ist einzureihen neben Albert Renger-Patzsch und Karl Blossfeldt. Nur, dass sein Werk der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Das soll sich ändern. Die Alfred-Ehrhardt-Stiftung, die sich seit 2002 in Köln um die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Werkes kümmert, ist nach Berlin umgezogen.

Alle gingen in die Hauptstadt, meinte die Leiterin der Stiftung Christiane Stahl zur Eröffnung, „warum nicht auch wir?“ Die neue Heimat liegt in bester Lage, in der Auguststraße, 140 Quadratmeter mit großer Schaufensterfront. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich C/O Berlin im Postfuhramt und die Kunst-Werke. Kooperationen mit Berliner Institutionen und den Staatlichen Museen sind geplant. Anders als in Köln setzt die Stiftung nun auch auf den Verkauf: Die Vintage Prints von Erhardt sind Doubletten aus dem Stiftungsarchiv und kosten zwischen 950 und 1200 Euro. Auch Arbeiten zeitgenössischer Künstler aus wechselnden Ausstellungen sind vor Ort zu erwerben.

Das Verbindende zwischen Erhardt und aktuellen künstlerischen Positionen soll im weitesten Sinn die Natur sein. Zur Eröffnung zeigt die Stiftung Aufnahmen von Peter Bialobrzeski, der für seine Serien über asiatische Megacities 2003 mit dem renommierten World Press Photo Award ausgezeichnet wurde. Unter dem Titel „Paradise Now“ scheint Bialobrzeski auf den ersten Blick ebenso der Urkraft der Natur nachzuspüren wie sein Dialogpartner Ehrhardt. Dichter Dschungel rankt über die Bildfläche, die Vielfalt der Blätterformen ist überwältigend. Doch die Natur ist längst nicht mehr rein und vollkommen. Wer genau hinsieht, entdeckt im dunstigen Hintergrund Hochhäuser, Brückenpfeiler, Kräne. Scheinwerfer leuchten diese Pflanzenwelten mitten in Jakarta, Bangkok oder Singapur bis in den letzten Winkel aus. Zerstörerisch, mit welcher Energie die Natur hier in Szene gesetzt wird. Und wie unwirklich schön. Bialobrzeski hält drauf: zwei bis zehn Minuten mit einer Plattenkamera aus den 50er Jahren. Dadurch entstehen unruhige, verschwommene Details und vibrierende Effekte. Ein Kran, der sich während der Belichtung über dem Blätterdach drehte, ist in drei konzentrischen Kreisen erstarrt. In diesem Sinn stellt sich Bialobrzeski genau wie Ehrhardt in den Dienst der Dokumentation.

Neben Fotografie werden auch Medienkunst, Malerei und Zeichnung zu sehen sein. Ehrhardt hat als Maler und Zeichner begonnen, er studierte am Bauhaus. Als die Nationalsozialisten ihn 1933 entließen, widmete er sich nur noch der Fotografie und dem Film. Sein Sohn Jens Ehrhardt, ein Vermögensverwalter aus München, hat die Stiftung gegründet. Der laufende Betrieb wird von ihm privat finanziert. Das Archiv umfasst neben etwa 7000 Fotografien und 6000 Negativen auch Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken. Zur Stiftung gehört außerdem das Alfred-Ehrhardt-Haus in Triptis bei Gera, dem Geburtsort des Fotografen.

Alfred-Ehrhardt-Stiftung, Auguststr. 75; Di-Sa 11-18 Uhr, Do 11-21 Uhr. Die Ausstellung „Paradise Now“ ist bis 18.4. zu sehen.

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