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Adolf Hitler im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds in Berlin

© Collage: tso/Foto: dpa

Wachsfigurenkabinett: Kopfloser Hitler - die Besucher witzeln

"Nie wieder Krieg" rief der 41-jährige Störenfried und riss dem Wachsdiktator den Kopf vom Leib. Vor dem Eingang des Wachsfigurenkabinetts Madame Tussauds amüsierte sich der Essayist Henryk M. Broder: "Endlich hat ein Hitlerattentat geklappt". Bei dem Täter soll es sich nach Medienangaben um einen ehemaligen Polizisten handeln.

Schon nach wenigen Minuten war die Hitler-Figur kopflos. Der zweite Besucher, der am Samstagmorgen in die neue Berliner Madame-Tussauds-Ausstellung kam, riss der Wachspuppe kurzerhand den Schädel ab. Zuvor hatte der 41 Jahre alte Störenfried aus Kreuzberg eine Stunde lang geduldig in der Warteschlange gestanden, wie sich ein Zeuge später erinnert. Zwei Sicherheitsmänner sollten eigentlich dafür sorgen, dass keine Besucher Souvenirfotos mit dem Nazi-Diktator machen - geschweige denn, den umstrittenen Wachs-Hitler anfassen.

Der Täter sprang über die Absperrung, stürzte auf den Schreibtisch zu, riss an der Figur und schrie dabei "Nie wieder Krieg!", wie der der Augenzeuge sagt. Erst dann seien zwei Wachmänner eingeschritten. Bei dem Handgemenge wurde der Tussauds-Mitarbeiter Stefan Wessels leicht verletzt. Als die Sicherheitsleute den Täter endlich im Griff hatten und zurückdrängten, war es bereits geschehen.

"Endlich hat ein Hitler-Attentat geklappt", witzelte der Essayist Henryk M. Broder vor dem Eingang. Die Puppe, deren Entwurf und Bau rund 200.000 Euro gekostet haben soll, war rasch in abgeschlossene Museumsräume gebracht worden.

Täter war offenbar ein ehemaliger Polizist

Eine Viertelstunde nach der Museumseröffnung kamen Polizisten in drei Streifenwagen herbeigeilt und nahmen den Täter fest. Gegen ihn wird wegen Sachbeschädigung an der Figur und Körperverletzung an dem Mitarbeiter ermittelt. Laut "Morgenpost Online" handelt es sich um einen ehemaligen Berliner Polizisten. Das meldet das Internetportal, unter Berufung auf das persönliche Umfeld des Mannes. Er sei zurzeit arbeitslos und lebe von "Hartz IV". Nebenbei jobbe er in der Altenpflege. Der ehemalige Polizist habe vor Jahren seinen Dienst bei der Behörde quittiert, weil er nach einer 1. Mai-Demonstration festgestellt habe, dass er auf die "andere Seite gehöre".

Schon vor Eröffnung der Ausstellung hatte die Hitler-Figur für Diskussionsstoff gesorgt. Darf Hitler nur wenige hundert Meter vom ehemaligen Ort der Reichskanzlei als Touristen-Attraktion stehen? Darf er, fanden die Veranstalter und beriefen sich dabei auf eine repräsentative Umfrage. Danach wollten die meisten Befragten den Diktator als historische Figur bei Madame Tussauds sehen.

Der Grünen-Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer vertrat hingegen die Meinung vieler Politiker und Historiker. Es sei "eine empörende Veranstaltung" und "eine Banalisierung von Verbrechen, das finde ich nicht hinnehmbar", sagte Bütikofer am Samstagmorgen vor dem Museumseingang, an dem er eher zufällig vorbeispazierte. Hineingehen wollte er nicht. Als Bütikofer das sagte, war der Störenfried schon festgenommen.

Ob Hitler wieder aufgestellt wird, bleibt ungewiss

Ob die Figur repariert und wieder im Ausstellungsbereich zu sehen sein wird, ist ungewiss. "Wir werden mit der Geschäftsführung und unseren Anwälten beraten und dann eine Entscheidung treffen", sagte Tussauds-Sprecherin Natalie Ruoß. Über das Ausmaß des Sachschadens machte sie keine Angaben. Davon hänge auch ab, ob die Figur bald wieder zu sehen sei.

Dem Besucherstrom tat die "Enthauptung" keinen Abbruch. Verwundert blieben die meisten vor dem leeren Schreibtisch stehen, an dem doch eigentlich ein erschöpfter, düster dreinblickender Diktator am Ende seiner Tage zu sehen sein sollte.

"Jetzt hat sich endlich mal einer getraut!", rief eine ältere Frau und eilte weiter. Wenig Verständnis zeigte hingegen der 20-jährige Markus Müller. Der Mannheimer war zu Besuch in Berlin. "Hitler gehört zu unserer Geschichte, deshalb hätte ich ihn gern gesehen", sagte er. Sein Kommilitone Alexander Rank war seiner Meinung: "Man kann ihn doch nicht verstecken. Nach rund 60 Jahren wissen wir doch mit ihm umzugehen." Die 21-jährige Christine Schönfuß aus Eisleben in Sachsen-Anhalt hatte für die ganze Aufregung wenig übrig. "Hitler? Ich will zu Boris Becker", meinte sie. (mfa/ut/dpa/ddp)

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