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© Mike Wolff

Wohnungsgalerien: Fremde im Flur

In Berlin etablieren sich private Wohnungsgalerien, in denen Liebhaber ihre Türen zur Kunst öffnen. Die Atmosphäre regt die Besucher zu Gesprächen an.

Kurz bevor die ersten Besucher kommen, überklebt sie ihr Klingelschild. Dann wird aus Barbara Scheuermann mitsamt ihrer Dreizimmerwohnung in Prenzlauer Berg: Babusch. Ein Projektraum zwischen Wohnzimmer und Flur. Eine private Galerie.

Es klingelt im Fünfminutentakt an diesem Eröffnungsabend. Barbara Babusch Scheuermann ruft ein heiteres „Hallo“ in die Gegensprechanlage. Sollte es ein fremder Besucher sein, wird sie ihn in ihrer Küche schon noch schnell kennen lernen, das weiß sie inzwischen. Babusch gibt es seit Anfang des Jahres, es ist die vierte Vernissage. „Does Berlin need another art project space? – Yes, it does!“ steht selbstbewusst auf der Homepage. Barbara Scheuermann ist seit Ende vergangenen Jahres in der Stadt, zuvor arbeitete sie an der Tate Gallery of Modern Art in London als Kuratorin. Ihr ist klar: „Berlin braucht keinen hundertundeinsten Projektraum“. Aber sie hatte eben Lust darauf. „Die private Atmosphäre regt die Besucher an, tatsächlich über Kunst zu reden.“

Ein Anruf genügt, und die Hausherrin öffnet die Türen

Dieser Satz fällt häufiger. Auch Julie August und Petra Rietz sind dieser Meinung. Die beiden Frauen organisieren ebenfalls Ausstellungen in ihren Wohnungen. Das Prinzip ist bei allen gleich: Es gibt einen Eröffnungsabend oder feste Besuchstermine. Zwischendrin genügt meist ein Anruf, und die Hausherrin öffnet Gästen nach Vereinbarung. Privileg oder gar Luxus – davon sprechen sie, wenn sie beschreiben, wie es ist, mit der Kunst unter einem Dach zu leben. Und wie gerne sie Besuch empfangen.

Die Galerie 18m von Julie August in Schöneberg reicht neben dem Flur von einem großen Raum im Zentrum der Wohnung bis in die Küche. Außer zur Zeit, denn die Künstlerin Gabriela Volanti ist mit zarten Zeichnungen und Papierarbeiten zu Gast. Und die passten nicht zu all dem unruhigen Geschirr, findet Julie August. Dafür hängen dieses Mal einige Ausstellungsstücke im Gästezimmer. Bei Babusch sind die Türen zum Wohn- und Schlafzimmer geschlossen. Es bleiben ein zehn Quadratmeter großer Raum und die Küche, wo man bei einem Glas Wein schnell alle Fremdelei ablegt.

Anders bei Petra Rietz in Mitte. Hier sind Lebens- und Ausstellungsraum eins: Die Fotoarbeiten und Spanplatten-Collagen der Künstlerin Conny Busch hängen an den Wohnzimmerwänden. Hinter einer freistehenden Küchenzeile, die den Raum trennt, empfängt Petra Rietz ihre Gäste an einem langen Tisch. Sie nennt ihre Abende Salons, denn sie will an die Tradition der Literatensalons in den vergangenen Jahrhunderten anknüpfen. Will Diskussionen anregen und Wurzeln schlagen in Berlin, wohin sie vor fünf Jahren aus der Nähe von Kassel gezogen ist. Vierzig bis sechzig Leute kommen an einem Eröffnungsabend. Bei Petra Rietz hat man nur mit einer persönlichen Einladung Zutritt. Dafür gibt es Möglichkeiten, mit der Salondame Kontakt aufzunehmen: Sie pflegt eine eigene Internetseite, man kann sie anrufen oder ihr eine Mail schreiben.

Die Klingel ist eine Hemmschwelle

Bei Babusch und der 18m Galerie steht die Wohnung prinzipiell jedem Interessierten offen. Julie August verschickt ihre Ankündigungen an einen auf 1200 Adressen angewachsenen E-Mail-Verteiler. Barbara Scheuermann versendet Botschaften über Facebook. 150  Mitglieder hat die Gruppe in dem sozialen Netzwerk schon. Schlechte Erfahrungen haben die beiden Organisatorinnen noch nicht gemacht. Die Klingel ist eine Hemmschwelle. Wer die überwindet, der kommt wegen der Kunst. Ein Unterschied zu Vernissagen in Galerien, wie alle drei finden. Das gefällt auch der Künstlerin Gabriela Volanti. Sorge, dass ihre Arbeiten zu wenig Publikum erreicht, hat sie nicht. „In einer öffentlichen Galerie ist es doch auch nur an der Vernissage richtig voll“, sagt sie.

In der Küche von Barbara Scheuermann hat sich inzwischen über die Arbeiten des ausgestellten rumänischen Künstlers Vlad Olariu hinweg ein Gespräch über Rumänien entwickelt. „Genau deswegen mache ich das alles“, meint die Gastgeberin schwärmerisch und pendelt zwischen Menschengrüppchen hin und her. Sie will mit ihrem Ausstellunsgkonzept und Künstlern aus anderen Ländern ein Fenster zur Welt öffnen. Eigentlich arbeitet die 34-Jährige als selbstständige Kuratorin und Autorin. Von Babusch leben kann sie nicht. „Mal schauen, wie lange ich das halten kann“, sagt sie. Dieses Mal hat die Galerie des Künstlers in Bukarest den Transport bezahlt. 

Julie August finanziert ihren Kunstraum vor allem mit ihrer Arbeit in einem Verlag. 18m sei ihr „Herzensprojekt“. Bisher fiel die Bilanz jedoch nicht rosig aus, auch wenn sie immer mal wieder Arbeiten verkaufen kann. „Ich muss mir für nächstes Jahr eine andere finanzielle Lösung suchen“, sagt sie. Petra Rietz arbeitet neben ihrer Salonttätigkeit als Künstlerbetreuerin und Herausgeberin einer kleinen Buchreihe. Mit dem Salon erfüllt sie sich einen lang gehegten Traum. „Galerien sind toll, aber ich wollte etwas Kommunikativeres“, sagt sie. „Hier bin ich frei von finanziellem Druck.“ Leben und Arbeit zusammenzubringen, das hat sie sich immer gewünscht. Für alle drei gehört dazu auch, Privates zurückzustecken. „An einem sonnigen Samstag, wenn es am Schlachtensee eigentlich auch schön wäre, sage ich Interessenten trotzdem zu“, meint Julie August. „Das bin ich meinen Künstlern schuldig.“

- Petra Rietz Salon, Koppenplatz 11a; Mi-Fr 15-18 Uhr u. nach Vereinbarung, www.petrarietz.com / 18m Galerie, Akazienstr. 30; jeden 18. des Monats ab 18 Uhr u. n. Vereinbarung / Babusch, Kopenhagener Str. 33, Do 17-20 Uhr (vom 8.-29.10 nur n. Vereinbarung), www.babusch.org

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