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Ausstellungskritik: Zeichnen ist nützlich

Die Alte Nationalgalerie zeigt, wie der Maler, Zeichner und Illustrator Adolph Menzel das Bild Friedrichs des Großen formte.

„Alles Zeichnen ist nützlich, und Alles zeichnen auch!“, gab Adolph Menzel als Devise aus. Das Zeichnen steht überhaupt am Anfang seiner Tätigkeit. Bekannt wurde er mit den 400 Illustrationen zu Franz Kuglers „Geschichte Friedrichs des Großen“, die er in drei Jahren bis 1841 in Holz schneidet, nach unzähligen Zeichnungen, die der wirklichkeitsbesessene Menzel von allen erreichbaren Originalen angefertigt hatte, von Uniformen bis Örtlichkeiten. Begegnet ist Menzel (1815–1905) dem großen König naturgemäß nie, aber er hat ihn „eigentlich gemacht“, wie er selbst 1878 bekannte.

Kuglers „Geschichte“ ist heute nicht mehr das Hausbuch einer Nation, und sei es auch nur der borussischen; und Menzel selbst wird für seine scheinbar beiläufigen Stadtbilder und Interieurs geschätzt, nicht aber mehr fürs „Flötenkonzert in Sanssouci“ geliebt. Das war der Alten Nationalgalerie Ansporn, Menzels künstlerische Beziehung zu Friedrich einmal zur Gänze auszubreiten. Schließlich hütet sie den gesamten Nachlass des Künstlers – darunter 4500 Zeichnungen –, der ein Jahr nach dessen Tod auf Wunsch Kaiser Wilhelms II. angekauft worden war. Jenes Kaisers, der persönlich die Inschrift auf der Kranzschleife für Menzel formulierte: „Dem Ruhmeskünder Friedrichs des Großen und seiner Armee in unwandelbarer Dankbarkeit Wilhelm II. und seine Armee“. Schlimmer konnte das Missverständnis nicht sein, aber es wirkte nach. Und natürlich muss man sich fragen, warum Menzel sein Talent etwa an die 436 Lithografien für „Die Armee Friedrichs des Großen in ihrer Uniformierung“ vergeudete, ein dreibändiges Werk von 1851–57. Er selbst schrieb entschuldigend, „nach der Natur studiren zu können, ist mir ein großer Vortheil, ich kann dadurch den Sachen die Authenticität geben“.

Das war bereits in der Zeit nach der gescheiterten bürgerlichen Revolution von 1848, die für Menzel eine tiefe Enttäuschung bedeutete. Menzel komponiert nun die Friedrich-Gemälde, die ihn berühmt machen. Sie sind in der Alten Nationalgalerie zu sehen, zusammen mit Schwarz-Weiß-Fotografien der Kriegsverluste von 1945. Bezeichnenderweise gelingen die Schlachtenbilder gar nicht: Die „Ansprache Friedrichs vor der Schlacht bei Leuthen“ bleibt 1861 halb fertig stehen. Die unmilitärischen Szenen hingegen bringt er zu Ende, das „Flötenkonzert“ oder die „Bittschrift“; und auch das ganz großartige „Bonsoir, messieurs! (Friedrich der Große in Lissa)“ von 1858 ist ja weniger ein Historienbild als eine Studie in Licht und Bewegung.

Die Ausstellung, von Kustodin Angelika Wesenberg offenbar als work in progress erarbeitet, geht glücklicherweise über ihr Titelthema hinaus – zum Schluss wurde der gesamte Bestand der Menzel-Gemälde der Nationalgalerie einbezogen. So erst kann der Besucher erkennen, dass der Menzel der Uniformknopfabbildungen zugleich der Menzel des „Balkonzimmers“ ist oder der „Berlin-Potsdamer Eisenbahn“ von 1847. Und später dann der Schöpfer des „Eisenwalzwerks“ von 1872/75, der bedeutendsten Industriedarstellung in der deutschen Kunst.

Nur zu einem Katalog, der diesem großen Wurf der Ausstellung folgt und gerecht wird, hat es nicht gereicht. Ärgerlich! Als Ersatz gibt es das eher essayistische Buch „So malerisch! Menzel und Friedrich der Zweite“ von Claude Keisch, bis 2003 Kustos am Haus, der 1996/97 die Menzel-Retrospektive leitete. Sein Buch ist souveräne Kennerschaft. Und doch hätte gerade beim Friedrich-Thema der Blick einer jüngeren Generation zu neuen Einsichten führen können.

Alte Nationalgalerie, Museumsinsel, bis 24. Juni. – Buch: E.A.Seemann Verlag, 20 €.

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