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Kultur: Avantgarde in der Liegendvorfahrt

NEUE MUSIK

Sobald die Sterne am Firmament aufziehen, erzählt der Mond der aufmerksam lauschenden Erde die Geschichte ihrer Geburt. Was der Heimatplanet da zu hören bekommt, hat Poul Ruders in seinem symphonischen Drama „ Listening Earth “ in einem Traum grauen Eises verwandelt. Der dänische Komponist, von den Philharmonikern mit diesem Auftragswerk betraut, lässt zunächst noch fahle Erinnerungsströme unter einem bleiernen Korsett pulsieren. Doch dann werden letzte Sinn stiftende Verbindungen von staubigen Cluster-Klängen zugedeckt, breitet sich eine Wüstenei aus, in der selbst brutale Percussionshiebe einfach ins Nichts entschwinden. So erreicht der einstmals blaue Planet die Erste-Hilfe-Station in der Philharmonie nur noch über die Liegendvorfahrt. Die Begeisterung von Publikum und Philharmonikern hielt sich spürbar in Grenzen. Tauwetter versprach bei dem zum MAGMA-Festival nordischer Musik gehörenden Abend der Biker-Charme von Christian Lindberg, der in Lederhosen das Podium betrat, als hätte er noch immer seine Harley zwischen den Beinen. Luciano Berio schrieb dem Ausnahme-Posaunisten sein Orchesterstück „SOLO“ direkt aufs Instrument. Kaum zu ermessen die Schwierigkeiten der Partitur, das Flattern, Schnarren und Brummen ohne Absetzen, die extrem langen Töne und peinigenden Lagen. Lindberg schaffte jede Kurve, doch über eine einsame Solonummer reichte die Aufführung nicht hinaus. Was an der geringen Autorität des Dirigenten David Robertson gelegen haben mag, der sich abschließend mühte, Sibelius’ heikler erster Symphonie leichenblasse Dramatik aufzunötigen. Das Ergebnis klang nach Tschaikowsky-Abklatsch aus dem Küchenradio. Da schaltet man gerne ab (noch einmal heute, 20 Uhr).

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