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Kultur: Baden

KABARETT Der Mann hat sich die Hasskappe aufgesetzt und schimpft. Lauthals und mächtig und ununterbrochen.

KABARETT

Der Mann hat sich die Hasskappe aufgesetzt und schimpft. Lauthals und mächtig und ununterbrochen. Geschlagene zweieinhalb Stunden. Über dieses Land, die DDR, die Deutsche Dominikanische Republik, wo die Sonne schon morgens um halb sieben aufgeht und man die Kinder von Beamten erziehen lässt, wo die Tendenz zur Zweitmeinung so ausgeprägt ist, dass eine ganze grüne Partei ihrem Außenminister auf dessen langen Marsch in den Arsch von George W. Bush folgt. Dass der Meckermann Arnulf Rating heißt, wissen wir. Dass er einen straßenköterblond bekränzten Eierkopf hat, sehen wir. Dass darunter die schärfsten Wortschwerter geschmiedet werden, merken wir nach fünf Minuten. Doch am Ende ahnen wir, dass die Schmiedeware eine Gefahr darstellt für diesen Staat. Da genügt der Hinweis auf den Wahlzettel, auf dem Preis, Inhaltsangabe und Servicenummer fehlen, und schon beginnt man im Tempodrom zu zweifeln, ob es sich nicht besser leben würde in der Ottokratie. Das Versandhaus habe ja wenigstens eine Rückgabegarantie. Warum sollte das nicht auch für Regierungen gelten? „Knapp Daneben“ nennt Rating sein Programm (wieder vom 20. bis 23.11.). Doch das stimmt nicht. Er, der frisch gekürte Gewinner des Deutschen Kleinkunstpreises 2003, schießt meist ins Rote und Grüne. Lässig ist er, beweglich und hellwach, sprachlich auf höchstem Niveau. Nicht eine Seele wohne, ach, in seiner Brust, nein Hunderte, lässt Rating uns wissen. Manchmal, wenn er vehement wird und ein flüchtiger Zug Bitterkeit an seinem Mund herumzuckt, dann wird man das Gefühl nicht los, dass auch eine dabei ist, die wirklich leidet an diesem Land, seinen Steuern und Beamten – und den Spott zum Überleben braucht. Nur den Rudi „bin Baden“ Scharping, den mag der Rating. Inmitten des Mazedonieneinsatzes zu sagen, „nur die Liebe zählt“, dazu gehöre Größe. Philipp Lichterbeck

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