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Kultur: Bauen in der Provinz: Jenseits der Metropolen. Neues vom Brandenburger Modernismus

Die Architektur der Klassischen Moderne ist für die Kunstgeschichtsschreibung - mit Ausnahme des Bauhauses in Dessau - ein Phänomen der Metropolen. Doch hatte sie ihre Anhänger schon in den frühen zwanziger Jahren auch in Kommunen, die gemeinhin als "Provinz" abgetan werden.

Die Architektur der Klassischen Moderne ist für die Kunstgeschichtsschreibung - mit Ausnahme des Bauhauses in Dessau - ein Phänomen der Metropolen. Doch hatte sie ihre Anhänger schon in den frühen zwanziger Jahren auch in Kommunen, die gemeinhin als "Provinz" abgetan werden. Wie die letzte Ausgabe der Zeitschrift "Brandenburgische Denkmalpflege" widmete sich nun das zehnte "Arbeitsheft" des Brandenburgischen Landesamtes für Denkmalpflege dem Thema. Mit den beiden Heften steht nun ein breites Spektrum von Einzeluntersuchungen zur Verfügung, etwa über die Großfunkstation in Nauen, die Moderne im konservativ geprägten Potsdam oder die nun doch vor dem Abbruch bewahrte Autobahn-Tankstelle von 1937 in Fürstenwalde.

Luckenwalde wird besonders häufig erwähnt. Die Industriestadt war ein sozialdemokratisch regierter Sonderfall in der sonst als erzkonservativ berüchtigten Provinz Brandenburg. Mit der als großstädtisch identifizierten Architektursprache des Neuen Bauens, vor allem aber des Expressionismus konnte sich die Kommune absetzen von der konservativen, kleinstädtisch-mittelalterlich geprägten Kreishauptstadt Jüterbog. Der Denkmalpfleger Thomas Drachenberg hat Luckenwalde und seiner Baupolitik in der Weimarer Republik nun eine eigene Studie gewidmet. Einem Überblicksteil folgt der Katalog der wichtigsten Projekte, sinnvoll nach den Auftraggebern geordnet, so dass sich die soziale und politische Struktur der Entstehungszeit wiederfinden lässt.

Entscheidend war für Luckenwalde 1918 die Berufung des Architekten Joseph Bischof zum Stadtbaurat. Selbst war er eher Anhänger einer gemäßigt-konservativen Reformarchitektur, wie sie sich im Kaiserreich seit etwa 1910 fest etablierte und in seinen Luckenwalder Kleinhaussiedlungen, etwa "Auf dem Sande", zu sehen ist. Doch legte Bischof in der Stadt den Grundstein für eine kulturelle Offenheit, die auch seine Entlassung 1925 überlebte. Und so entstand seit 1921 nicht nur die weltberühmte Hutfabrik von Erich Mendelsohn. Mendelsohns Mitarbeiter Richard Neutra, der später die kalifornische Moderne begründen sollte, entwickelt in diesen Jahren der Massenarmut und Inflation auch den einzigartigen, expressionistischen Grundriss des als ABM gebauten Waldfriedhofes. Vor allem aber investierte die Stadt in ein umfangreiches Siedlungsprogramm. Erst als es der Republik besser ging, konnte man mehr investieren: Paul Backes errichtet 1928 die Doppelschule mit dem jüngst vorzüglich wiederhergestellten, expressionistischen Theatersaal, Hans Hertlein, der Architekt der Berliner Siemensstadt, das derzeit vor sich hinrottende Stadtbad. Von seiner Eleganz schwärmte einst der Kritiker Max Osborn, es sei "ein appetitlich unfeierlicher Tempel der Volksgesundheit".

Drachenberg schreibt knapp, eine Tatsache folgt der nächsten. Da zeigt sich die Schulung durch hunderte von Denkmalpflege-Gutachten. Die Fotos und Pläne sind gut ausgewählt, allerdings wünschte man sich häufiger das Gegenüber von Erst- und heutigem Zustand; zeigt doch eine solche Konfrontation besonders gut, wie die Menschen sich die Produkte der Architekten angeeignet haben. Drachenberg macht Luckenwalde nicht zu einem Zentrum des Bauens der Klassischen Moderne, lässt aber auch Berlin nicht mehr alles überstrahlen. Das Bauen in der Provinz erhält so eine neue, historisch wohlfundierte Würde.

Nikolaus Bernau

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