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Kultur: Baumeister der Republik

Von Jürgen Tietz Die meisten Bauten Günter Behnischs sind in Süddeutschland entstanden, vor allem im Stuttgarter Raum. Dort hat der 1922 geborene Dresdener zwischen 1947 und 1951 auch studiert, ehe für kurze Zeit im Büro von Rolf Gutbrod arbeitet, ehe er 1952 sein eigenes Büro in Stuttgart aufmachte.

Von Jürgen Tietz

Die meisten Bauten Günter Behnischs sind in Süddeutschland entstanden, vor allem im Stuttgarter Raum. Dort hat der 1922 geborene Dresdener zwischen 1947 und 1951 auch studiert, ehe für kurze Zeit im Büro von Rolf Gutbrod arbeitet, ehe er 1952 sein eigenes Büro in Stuttgart aufmachte. Mit den Neubau für die Akademie der Künste, der er selbst seit 1982 angehört, erhält nun auch Berlin „seinen“ Behnisch. Und was für einen! Zusammen mit dem Stuttgarter Architekturhistoriker Werner Durth entwickelt, bietet der lange umstrittene Bau das gläserne Korrektiv für den steinernen Pariser Platz. Dabei nimmt er präzise Struktur und Abmessung der verlorenen Vorgängerbebauung auf und übersetzt sie in eine zeitgemäße Architektursprache. Der allererste Berliner Behnisch wird allerdings an der Rückseite der Akademie fertiggestellt: die Erweiterung des Hotels Adlon, die durch den Verkauf eines Grundstücksstreifens zu Lasten des ursprünglichen Akademie-Entwurfs möglich wurde.

Berühmt gemacht haben Behnisch zwei Bauten, die prägend für die Bundesrepublik werden sollten, weil sie den Geist einer ganzen Epoche in Architektur überführten: das Münchner Olympiagelände und der Plenarbereich des Deutschen Bundestages in Bonn. 1967 hatte Behnisch den Wettbewerb für den Olympiapark gewonnen, eine kunstvoll modellierte Sportlandschaft mit dem Olympiastadion als Herzstück. Die betont luftige Architektur mit den Zeltdächern Frei Ottos bildete einen bewussten Gegenpol zu den Bauten der ersten olympischen Spielen im NS-Deutschland, 1936 in Berlin. In der bewegten Formengebung des Münchner Olympiageländes spiegelte sich der Rhythmus einer ganzen Generation. Damit wurde es zum Aushängeschild einer offenen, einer informellen Gesellschaft, ein Stück gebauter Aufbruchstimmung. Nur mit Mühe konnte Behnisch allerdings in den neunziger Jahren davon abgehalten werden, dem lediglich teilüberdachten Stadion auf Wunsch des vermeintlich allmächtigen FC Bayern durch einen Umbau selber Gewalt anzutun. Erst die Entscheidung für einen Stadionneubau an anderer Stelle der Stadt brachte die Rettung für dieses vielleicht bedeutendste Baudenkmal der bundesrepublikanischen Architektur.

Es ist nicht ganz einfach, eine Handschrift von Behnisch zu definieren. Denn Formenvielfalt und Ortsbezüge stehen bei der Entwurfsarbeit des Büros im Vordergrund: „Das Ziel der Architektenarbeit ist nicht das Haus, das Gebäude, vielmehr die zu schaffende Situation“, so Behnisch. Ein dennoch stets wiederkehrendes Moment sind organische Architekturformen, die häufig auch als dekonstruktiv bezeichneten werden. Mit ihnen knüpft Behnisch an die Tradition eines Hugo Häring, Hans Scharoun oder Rolf Gutbrod an. Doch auch in dieser Haltung erweist er sich nie als dogmatisch. Das zeigen bereits die beiden höchst unterschiedlichen Lösungen für seine frühen Schulen, die er zusammen mit Bruno Lambart verwirklicht hat: das kubische Hohenstaufen-Gymnasium in Göppingen (1959) und die aufgelockert organische Vogelsang-Schule in Stuttgart (1961). Dem Thema Schulbau ist er in seinem abwechslungsreichen Werk bis heute treu geblieben. So entstand erst 1996 das spielerische St. Benno Gymnasium in seiner Geburtsstadt Dresden. Eine von ihm geplante Schule im Berliner Süden wurden hingegen – bisher – leider nicht verwirklicht. Die Krönung von Behnischs Architekten-Oeuvre ist aber die lichte Halle des Plenarbereichs des Deutschen Bundestages (1983-92), deren Einweihung mit dem Ende der Bonner Republik zusammenfiel. Mit seinem kreisrunden Plenarsaal ist er ein Stück gebauter Demokratie – nicht allein wegen der Transparenz der Glasflächen, die zahlreiche optische Bezüge ermöglichen. So oberflächlich war der viel genutzte Begriff schließlich nie gemeint. Doch bei Behnisch findet er seine lebendige Entsprechung: „Architektur wird diejenigen Kräfte widerspiegeln, die bei ihrem Entstehen wirksam waren. Und wenn demokratische Vorraussetzungen vorhanden waren und wenn solche Prozesse praktiziert wurden beim Entstehen von Architektur, dann müsste eine tendenziell demokratische Architektur entstehen.“

Seit 1989 gibt es ein noch zweites Büro Behnisch, in dem er mit seinem Sohn Stefan zusammenarbeitet. Und dass Günter Behnisch, der heute achtzig Jahre alt wird, auf fast allen Architekturfeldern souverän wirkte, hat er mit zahlreichen Bauten bewiesen: Darunter die sternförmig ausfächernde Universitätsbibliothek in Eichstädt (1987), der gläserne Umbau samt Erweiterung des Kurhauses im sächsischen Bad Elster (1999) und zuletzt der langgestreckte Riegel des Buchheim-Museums am Starnberger See. Prägend, als Vorbild nicht nur für jene zahlreichen Architekten, die im Laufe der Jahre in seinem Büro mitgearbeitet haben, nimmt er einen unverrückbaren Platz ein: als Baumeister der Bundesrepublik.

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