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Bayreuther Festspiele: Mythos und Moderne

Immer für Überraschungen gut: In diesem Jahr ist es das Alter des Regisseurs, der mit 80 seine erste Opern-Regiearbeit ausgerechnet auf dem Grünen Hügel abliefern darf und für Staunen vor Beginn der Festspiele sorgt.

Bayreuth - Tankred Dorst, der international renommierte Schriftsteller und Dramatiker, hat Richard Wagners "Ring des Nibelungen" als Ersatz für den abgesprungenen dänischen Filmregisseur Lars von Trier in nur zwei Jahren erarbeitet. Eröffnet werden die 95. Bayreuther Festspiele am Dienstag jedoch mit der Wiederaufnahme des alt gedienten "Fliegenden Holländers" in der Regie von Claus Guth. Einen Tag später startet der mit Spannung erwartete neue "Ring". "Tristan und Isolde" und "Parsifal" werden den Festspiel-Reigen 2006 vervollständigen.

Dorst ist dazu verpflichtet, nichts über seine Inszenierung auszuplaudern. Mehrmals habe er davor gestanden, entnervt hinzuschmeißen wegen der ständigen Interventionen des 86-jährigen Festivalchefs Wolfgang Wagner, weiß der "Spiegel" zu berichten. Der Wagner-Enkel gebärde sich "bisweilen wie Heervater Wotan in rasender Wut", heißt es. Nachdem sich bereits Dirigent Christian Thielemann gewünscht hatte, nicht wieder einen "Wotan mit Aktentasche" sehen zu müssen, beruhigt Dorst die gespannten Erwartungen: "Deutungen, die Wotan als Konzernchef oder Siegfried als Hippie zeigen, sind nicht meine Sache", sagte er der Fachzeitschrift "Opernglas".

Für ihn sei der "Ring" eine Geschichte in einer heutigen Welt mit Autobahnen, einem alten Abbruchhaus, das irgendwo an einer Straßenecke steht, oder mit dem Physiksaal einer Schule. "Es gibt also ein heutiges Ambiente", sagte der 80-Jährige. In Sachen Götter, Menschen und Dämonen kennt sich Dorst indes erwiesenermaßen aus, ließ er sie doch schon 1981 in seinem Welttheater "Merlin" auftreten.

Maßstab Jahrhundert-"Ring"

Messen lassen muss sich der alte Mann Dorst mit seiner Neuinterpretation des Weltmärchens vom Entstehen und Ende der Zivilisation an einer 30 Jahre alten Arbeit: der als Jahrhundert-"Ring" gefeierten Inszenierung von Patrice Chereau. Der wurde zwar als 31-jähriger Regisseur bei der Premiere 1976 in Bayreuth noch angefeindet in zuvor nie gekannter Heftigkeit, doch mit den Jahren wuchs die Anerkennung für seine heute als Beginn des modernen Regie-Musiktheaters gefeierte Interpretation. Keine der danach gezeigten "Ring"-Versionen erreichte wieder diese Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Wenn es einen neuen "Ring" in Bayreuth gibt, dann muss immer eine ältere Produktion ran, um das aktuelle Festival zu eröffnen. 2003 hatte Claus Guth mit seinem "Fliegenden Holländer" die Festspiele gestartet, was er in diesem Jahr, einen Tag vor seiner Mozart-Premiere mit Anna Netrebko bei den Salzburger Festspielen, auch wieder darf. Als "originell" und "handwerklich präzise" wurde die Regiearbeit des jungen Guth gelobt, ebenso die des Dirigenten Marc Albrecht. Er dirigiere die große romantische Oper "mit Windstärke zehn", hieß es. Auch Albrecht wird zur Eröffnung wieder am Pult stehen. Jaako Ryhänen als Daland, Adrienne Dugger als Senta und Endrik Wottrich als Erik singen die Hauptpartien.

Reichlich Diskussionsstoff bot im vergangenen Jahr die Neuinszenierung von "Tristan und Isolde", die ab 1. August erneut auf dem Spielplan steht. Christoph Marthaler führt Regie, Anna Viebrock entwarf das Bühnenbild und die Kostüme. Am Pult wird in diesem Jahr Peter Schneider stehen. Der "Parsifal" von Skandalregisseur Christoph Schlingensief aus dem Jahr 2004 wird 2006 von Adam Fischer dirigiert.

Auch die Festspiele 2007 werfen schon ihren Schatten voraus, denn dann wird Katharina Wagner, die Urenkelin Richard Wagners, mit der Inszenierung der "Meistersinger von Nürnberg" ihr Debüt geben. Die Tochter von Wolfgang Wagner wird als künftige Chefin auf dem Grünen Hügel gehandelt, wenn ihr greiser Vater das Zepter einst aus der Hand gibt. (tso/ddp)

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