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Der 45-jährige US-Musiker Beck.

© Universal

Beck live in Berlin: Forever linkisch

Beck spielte bei seinem Konzert in der Berliner Columbiahalle einen Indierock-Hit nach dem anderen.

Von Jörg Wunder

Hätten die Fans des Songwriters Beck für seinen Auftritt in der Columbiahalle eine Liederwunschliste zusammenstellen können, wäre es wohl zu eben jenem Programm gekommen, das der 45-Jährige mit seiner vierköpfigen Begleitband tatsächlich spielt. Vom Opener „Devil’s Haircut“ bis zur zehnminütigen Groovemonster-Zugabe „Where It’s At“ – beide von Becks erfolgreichstem Album „Odelay“ (1996) – jagt ein Indierock-Hit den nächsten. Zu einigen davon ist wohl mancher einst auf der Erstsemesterfete rumgehüpft, und im nächsten Lebensabschnitt wird nun das Wiederhören johlend bejubelt.

Eine kluge Strategie, denn ein Beck-Konzert ist kein Selbstläufer. Das liegt am heterogenen Gesamtwerk; außerdem ist der bleiche Kalifornier nicht gerade die größte Rampensau. Mit zu großkrempigem Hut, in bunt gemustertem Hemd, schwarzem Sakko und mit den in Skinny Jeans gepressten mikadostäbchendünnen Beinen wackelt er ungelenk über die Bühne, klingt manchmal wie sein eigener Karaokesänger, ringt sich mäßig originelle Floskeln ab, reißt die Ärmchen zu schlaffen Mitmachanimationen hoch und muss sich beim Saitenstimmen von seinem Leadgitarristen aushelfen lassen.

Aber das hat was, zum Beispiel Identifikationspotenzial: Durch die linkische Performance – immerhin ist er wesentlich besser aufgelegt als vor acht Jahren bei seinem recht desaströsen letzten Berlin-Gastspiel – wirkt Beck weniger entrückt als Kollegen, die wie er 15 Millionen Platten verkauft haben.

Die neue Single "Dreams" mit Glamrock-Intermezzo

Zudem hat das Kokettieren mit dem Scheitern seine Karriere überhaupt erst begründet. Der 1993er Welthit „Loser“ war die Internationalhymne der (weißen) Mittelstandsjugend – echte Verlierer haben damals im Trailerpark gewohnt und traurige Countrymusik von Garth Brooks gehört. Live funktioniert das Stück famos, obwohl dem Künstler andere Stücke fühlbar mehr am Herzen liegen. „Black Tambourine“ etwa, eine knackige Prince-Hommage, die neue Single „Dreams“ mit metallisch aufschimmerndem Glamrock-Intermezzo oder auch „Modern Guilt“: Das klingt mit hinreißendem Chorgesang wie ein vergessener Sixties-Hit der Byrds.

Beck hat eine famose Band dabei

Etwas verloren wirkt dagegen der Akustikblock mit ruhigen Songs, davon drei von Becks Grammy-ausgezeichneter Platte „Morning Phase“. Diese intimen, eine schmerzhafte Lebensphase reflektierenden und in den Studioversionen mit klöppelspitzenfeinen Arrangements abgerundeten Stücke passen nicht zur konzertanten Vergröberung und augenzwinkernden Grundhaltung der Akteure. Andererseits steht bei Beck eine grandiose Band in Lohn und Brot – mit dem herzhaft scheppernde oder feingliedrig flirrende Gitarrensoli einstreuenden Jason Falkner und dem Keyboarder Roger Manning Jr., beide einst in der Neo-Flowerpowerband Jellyfish tätig, sowie dem langjährigen Beck-Wegbegleiter Joey Waronker am Schlagzeug.

Was diese Supergroup des kalifornischen Indierock draufhat, wird bei der liebevoll zelebrierten Bandvorstellung deutlich, als jeder eine Coverversion anspielen darf. Und wie sie da mit Motown, David Bowie („China Girl“), Kraftwerk („Computer World“) und Prince („1999“) in ein paar Minuten durch die halbe Popgeschichte galoppieren, das hat echte Klasse. So rundet sich ein Konzert, das trotz Hitdichte zu Anfang etwas zu viel Routine abstrahlte, schließlich doch ins Beglückende. Darf wiederkommen, der Mann.

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