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Kultur: Bei den Alten

Christoph Luitpold Frommel überblickt die Architektur der Renaissance

Diese Abbildungen! Schwarz-weiß, in hartem Kontrast; von Vorlagen, die offenbar schon etliche Male ihren Dienst getan haben. Leer sind die Plätze, bisweilen sind uralte Automobile auszumachen oder noch ältere Personen in langen Kleidern. Manche Vorlage scheint gar aus der Frühzeit der Fotografie zu stammen.

Das Buch „Die Architektur der Renaissance in Italien“ ist gleichwohl eine Neuerscheinung, immerhin reicht die Auswahlbibliografie bis ins Jahr 2008. Christoph Luitpold Frommel, der Verfasser, zieht darin die Summe seiner jahrzehntelangen Studien zum Thema. 21 Jahre lang, bis 2001, amtierte der 1933 geborene Frommel als Direktor der ehrwürdigen Bibliotheca Hertziana in Rom, die zugleich als Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte firmiert. Aus ihrem Fundus stammt die Mehrzahl der Abbildungen, und man ahnt, wie oft der Autor die liebgewonnen Fotos hin- und hergewendet hat, obgleich er doch inmitten der Bauwerke lebte, die er überwiegend beschreibt, in Rom nämlich. Hätte der Verlag da nicht neue Aufnahmen spendieren können?

Vielleicht ist es besser so, durchweht doch ein alter Ton den Text, der von stupender Gelehrsamkeit ist. Souverän zieht Frommel die Verbindungslinien. Was der Autor vorführt, ist die überwältigende Kenntnis des Materials, in der sich jedes Element immer auf ein vorangehendes bezieht, als hätten die Baumeister des 15. Und 16. Jahrhunderts stets Musterbücher ihrer Vorbilder und Zeitgenossen unter dem Arm getragen. So ist der hierzulande wenig bekannte Mauro Codussi – um nur ein Beispiel herauszugreifen – in seinem für Venedig revolutionären Frühwerk der Kirche San Michele in Isola von Alberti beeinflusst und von Rosselino, zugleich aber auch von Michelozzi, um hingegen mit seinem letzten Bau auf Sanmicheli und Sansovino auszustrahlen.

Jüngere Forschungen zu den politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen der Renaissance finden bei Frommel keine Erwähnung. Er kennt jeden Palazzo, jede Kirche, alle – vielfach Stückwerk gebliebenen – Bauvorhaben. Noch mehr Informationen hätte man sich über ein Zentralproblem der Renaissancearchitektur gewünscht, nämlich die Veranschaulichung des einzigen überlieferten antiken Traktes, Vitruvs 1415 wiederentdeckte „Zehn Bücher“ und die Suche nach dem Aussehen des „Hauses der Alten“. Sie konnte in zufriedenstellender Weise erst durch Palladio für Daniele Barbaros Vitruv-Kommentar von 1556 vorgenommen werden, als die „Wiedergeburt“ der Antike bereits an ihr Ende kam.

Von Brunelleschi bis Palladio spannt sich der Bogen. Frommel geht es um eine „Anleitung zur Betrachtung der Meisterwerke“. Behält man dies im Auge, ist es ein wundervolles Buch, randvoll mit Wissen, ein wenig zu stark auf Rom konzentriert, seit jeher Hauptort deutscher Italien-Gelehrsamkeit. Nur die Bilder! Man muss sie dennoch lieben, spätestens wenn man auf einem Foto von Raffaels Palazzo Brescia die Markise des „Deutschen Geschäfts A.M. Stocker & Sohn“ entdeckt, eines „Devotionalien“-Ladens, aufgenommen zweifellos vor dem Ersten Weltkrieg. Bernhard Schulz

Christoph Luitpold Frommel: Die Architektur der Renaissance in Italien. C.H. Beck Verlag, München 2009, 278 S. m. 309 Abb., 49,90 €.

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