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Kultur: Beide Ostberliner Opernhäuser feiern das Jubiläum mit Beethoven

An einer Stelle sollte man dieses Mal ganz genau hinhören, wenn am 9. November Beethovens Neunte aus den hundert Kehlen des Staatsopernchors schallt: Denn schon eine kleine Textkorrektur würde aus dieser Passepartout-Festmusik tatsächlich ein anlassgerechtes Jubelstück machen.

An einer Stelle sollte man dieses Mal ganz genau hinhören, wenn am 9. November Beethovens Neunte aus den hundert Kehlen des Staatsopernchors schallt: Denn schon eine kleine Textkorrektur würde aus dieser Passepartout-Festmusik tatsächlich ein anlassgerechtes Jubelstück machen. In "Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng getrennt" ersetze man einfach "Mode" durch "Mauer" - und hätte damit die Anbindung an das historische Ereignis, das einst alle Deutschen Brüder werden ließ. Beide Ostberliner Opernhäuser feiern den Jahrestag des Mauerfalls mit Beethoven - die Staatsoper mit der Neunten in Prunkbesetzung (am Pult Barenboim höchstselbst, unter den Solisten Thomas Moser und Matti Salminen), die Komische Oper mit Harry Kupfers "Fidelio"-Inszenierung. Die Deutsche Oper hält sich dagegen zurück und bietet am Schicksalstag ausgerechnet Boleslaw Barlogs Uralt-"Tosca" von 1961 - die in diesem Zusammenhang freilich eher wie eine wehmütige Erinnerung an die Alt-Westberliner Zeiten wirkt, in denen es der Deutschen Oper noch gut ging.

Vielleicht ist es ja purer Zufall, dass der 9. November musikalisch fast ausschließlich von Orchestern aus dem Ostteil der Stadt begangen wird - dass dagegen das Konzert des Westberliner Haydn-Ensembles im Kammermusiksaal der Philharmonie als Mauer-Konzert deklariert wird, scheint purer Termin-Populismus. Denn was haben so harmlose Stückchen wie die "Drei Polkas für kleines Orchester" von Saverio Mercadante oder Mozarts liebenswürdig dahinperlendes Konzert für Flöte und Harfe mit dem "antifaschistischen Schutzwall" und den Menschen auf beiden Seiten zu tun?

Das eigentlich Angemessene, nämlich einen zeitgenössischen und daher zumindest mittelbar beteiligten Komponisten mit einer künstlerischen Reflektion des Mauerfalls zu beauftragen, ist allerdings keiner Berliner Institution, sondern dem Leipziger MDR-Orchester eingefallen (Konzerthaus, 11. 11.): Vielleicht hat die "Goldberg-Passion" von Friedrich Schenker beim nächsten Mauerfall-Jubiläum sogar Beethovens Neunte verdrängt - die ist an Silvester sowieso besser aufgehoben.

Jörg Königsdorf

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