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Kultur: Bekehrt euch, leistet Widerstand

Mode oder Manifest: Das Berliner Symposion „Klartext“ untersucht die Konjunktur politischer Kunst

Die Prämissen deuteten auf eine Sinnkrise. In welchen Dimensionen bewegt sich eigentlich die gesellschaftliche und politische Relevanz von Kunst? Haben wir es gegenwärtig wirklich mit einer „Repolitisierung der Kunst“ zu tun, oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Ästhetisierung politischer Themen? Kommt dem Politischen vielleicht nur eine Alibifunktion zu? Schließlich: Wie kann sich heute Widerstand formulieren – und gegen wen richtet er sich? Das waren nur einige der bangen Fragen, die die Veranstalter der Berliner Konferenz „Klartext“ sich und dem Publikum im Vorfeld stellten.

Drei Tage lang debattierten am Wochenende Künstler und Kunstkritiker, Aktivisten, Ausstellungsmacher und Philosophen aus Deutschland, Italien und Frankreich, aus England und den USA um dem „Status des Politischen in aktueller Kunst und Kultur“ auf den Grund zu gehen. Die Sorge um diesen ominösen Status scheint zunächst etwas übertrieben, immerhin hat die politische Kunst in den vergangenen fünfzehn Jahren einen Aufschwung unbekannten Ausmaßes hinter sich. Die letzten beiden Kasseler Documentas standen ebenso in ihrem Zeichen wie die zahllosen Biennalen, Triennalen und Manifestas, die sich seit Anfang der neunziger Jahre etabliert haben. Doch gerade dieser Erfolg macht manch einen stutzig: Ist das politische Engagement von Künstlern am Ende nur eine Chimäre, eine modische Pose, die man einnimmt, weil man sich ihrer Wirkung deutlich bewusst ist?

In diese Richtung zielte zumindest der Berliner Kritiker und Kurator Marius Babias in seinem Einführungsvortrag am Freitag im Künstlerhaus Bethanien, als er polemisch fragte, ob die politische Kunst nicht in erster Linie der Distinktion und Karriereplanung diene. Der in Paris ansässige Gesellschaftstheoretiker Brian Holmes wiederum forderte „Transparenz“ bei der Artikulation der Ziele, außerdem den „Exodus“ aus den gängigen Institutionen sowie die Gründung eigener, unabhängiger Ausstellungsorte für die „activist artists“.

Eine Anregung, die Potenzial zum Widerspruch in sich birgt, besonders in Berlin, besonders bei einer vom Hauptstadtkulturfonds und der Bundeszentrale für Politische Bildung finanzierten Veranstaltung. Den genau entgegengesetzten Weg beschrieb denn auch der Altmeister der politischen Kunst, der in New York lebende Deutsche Hans Haacke, dem der Berliner Reichstag sein umstrittenstes Kunstprojekt verdankt („Der Bevölkerung“) und der demnächst am Rosa-Luxemburg-Platz ein Erinnerungsmal für die Namensgeberin installieren soll.

Der Künstler präsentierte seine Beiträge zur Anti-Bush-Agitation vor der Präsidentenwahl: Fotos mit eindeutig zu entschlüsselnder Kritik an der US-amerikanischen Außenpolitik, die Haacke in den angesehenen liberalen Zeitschriften „The Nation“ und „The New Yorker“ veröffentlicht hatte.

Anders als für Holmes ist für Haacke der Zugang zum „System“ positiv besetzt, obwohl auch er sich über die Möglichkeit der Einflussnahme wenig Illusionen machte: Sie bleibe trotz Nutzung der Massenmedien „wohl minimal“. Mit Spannung erwartet wurde auch die Abschlussdiskussion in der Volksbühne, nicht zuletzt wegen der prominenten Podiumsteilnehmer. Dabei brillierten die beiden französischen Philosophen Chantal Mouffe und Jacques Rancière mit leicht verklausulierter, emphatisch vorgetragener Theorie.

Roger M. Buergel, künstlerischer Leiter der Documenta 12, gefiel sich in der Rolle der ontologischen Sphinx („Wer ist eigentlich wir?“), während der Buchautor und Mitarbeiter der Bundeskulturstiftung, Holger Kube Ventura, mit der Forderung nach „autonomer politischer Kunst“ kreative Begriffsschöpfung betrieb: weniger Vorgaben, weniger Konsens, mehr Freiheiten in Form und Inhalt – das scheint tatsächlich die Zukunft der politischen Kunst zu sein.

Ulrich Clewing

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