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Kultur: Bellevue: Diego Maradona - Tango mit Miguel Levin

Als Erstes, der Vorhang ist noch geschlossen, gleitet seine Hand aus dem Dunkel. Feingliedrig und flink tastet sich Miguel Levin an der Kante entlang, streichelt den Stoff und die imaginäre Person, die sich dahinter verbergen könnte.

Als Erstes, der Vorhang ist noch geschlossen, gleitet seine Hand aus dem Dunkel. Feingliedrig und flink tastet sich Miguel Levin an der Kante entlang, streichelt den Stoff und die imaginäre Person, die sich dahinter verbergen könnte. Dann erst erscheint der Sänger, wirft sich in Positur und erzählt den Mythos des Tango: Tango, das sei die Hymne vom gehörnten Ödipus, der seine Mutter verliert und von seiner Frau betrogen wird, mit seinem besten Freund. Tango, das ist die Kunst der Selbstinszenierung, ein Spiel, das bewusst als solches erkennbar bleibt. Levin findet sichtbar Gefallen daran und das Publikum im Café Bellevue mit ihm. Das, was seine Stimme nicht hergibt, macht der in Buenos Aires geborene, deutschstämmige Schauspieler und Tango-Interpret mit raumgreifenden Gesten und Situationskomik wett. "Tangotheatraliker" nennt er sich treffend. Miguel Levin schwenkt seinen cremefarbenen, bodenlangen Mantel dramatisch hin und her und verliert sich, mit seinen Liedern und den zwischendurch vorgetragenen Texten, in einem virtuellen Labyrinth aus Küssen, Erinnerungen, Schuldgefühlen. Im Tango eben. Er sei nicht sicher, ob er Argentinier oder Deutscher sei: "Ich fühle mich jedoch nicht heimatlos, denn der Tango ist meine Heimat." Und Levin kennt ihn gut. Er singt die Klassiker von Carlos Gardel und Astor Piazolla ebenso sicher wie die unbekannteren Lieder oder die Chansons von Brel. Die Begleitung durch den Pianisten Robert Schmidt ist ein Glücksfall, da Schmidt die Nuancen souverän beherrscht - melancholisch, wild, nachdenklich. Levins "Tangotheatralik" entfaltet ihre volle Wirkung auf einige Distanz - wer zu weit vorn sitzt, dem geht ein gutes Stück verloren.

Josefine Janert

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