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Außen hui, innen pfui: Der unvollendete Hauptstadtflughafen BER.

© Reuters

BER, Elbphilharmonie, Stuttgart 21: Wenn der Bauherr nicht weiß, was er will

Das Architekturbüro Gerkan, Marg und Partner wird viel gescholten, viele der Pannen rund um das Endlos-Projekt BER werden ihm zu Lasten gelegt. Dabei kann ein Architekturbüro nur so gut planen, wie der Bauherr konkrete Anweisungen gibt. Was das Büro kann, hat es bereits gezeigt - auch in Berlin.

Am 18. März hat das Architekturbüro von Gerkan, Marg und Partner (gmp) mit Hauptsitz in Hamburg und Niederlassungen rund um den Globus einen Wettbewerb gewonnen. Hunderte von Wettbewerben hat gmp bereits für sich entschieden. Auch diesmal ist wieder ein großes Vorhaben, ein 400 000 Quadratmeter reine Ausstellungsfläche großes Messegelände für die ostchinesische Stadt Tianjin.

In Tianjin kennt sich Meinhard von Gerkan, der 78-jährige Ko-Prinzipal der größten deutschen Architekturfirma, aus. Dort hat er 2011 den Westbahnhof an der Hochgeschwindigkeitsverbindung Peking-Schanghai fertiggestellt. Zum Zeitpunkt der Eröffnung war die Schnellstrecke noch nicht einmal in Betrieb, aber das ist in China so üblich. Man baut mit Blick nach vorn. Auch wenn das nicht so sehr fernöstlicher Weitsicht entspringt als vielmehr Teil der Politik der alles beherrschenden Kommunistischen Partei ist, durch massive Bauleistungen das Wirtschaftswachstum des Riesenlandes hochzuhalten.

Im demokratisch verfassten Deutschland existiert keine vergleichbare Leitlinie der Politik. Wie wäre das auch möglich? Für die Verkehrsinfrastruktur gibt es zwar seit Jahrzehnten den jeweils fortgeschriebenen „Bundesverkehrswegeplan“, aber der ist eher Hoffnung denn Handlungsanweisung. Die aktuelle Finanzlage von Bund, Ländern, Kommunen ist allemal entscheidender als langfristige Planung. So kam es auch zu dem Hü und Hott beim Flughafenprojekt BER, bei dem über Jahre hinweg große Vorhaben angekündigt wurden, die dann beim Durchrechnen gestrichen wurden, wie etwa der Tunnel zu den geplanten Satellitenterminals. Den hätte man jetzt gerne – zu spät.

Hü und Hott gibt es nun auch bei den Generalplanern. Erst wurde das Büro gmp nach der neuerlichen Verschiebung des Eröffnungstermins im vergangenen Mai gefeuert, ohne die fatalen Konsequenzen zu bedenken; jetzt, nach Monaten völligen Stillstandes auf der Baustelle, soll das Büro gmp wieder ins Geschirr steigen. Eine schallendere Ohrfeige für den gewesenen Aufsichtsratsvorsitzenden, den Rausschmiss-Betreiber Klaus Wowereit, lässt sich kaum denken.

Austeilen konnte sie nur ein Mann wie Hartmut Mehdorn, der als nun wirklich allerletzte Hoffnung engagiert wurde. Er kann mithin sagen, was er will. Zwar ist der Versuchsballon mit der Offenhaltung von Tegel geplatzt. Aber es war ein taktischer Geniestreich, diese Option ins Spiel zu bringen, um der Öffentlichkeit deutlich zu machen, dass alles, aber auch alles neu bedacht werden muss, soll der Flughafenneubau jemals zur Betriebsreife gedeihen.

Nun also wieder gmp. Dabei war es doch für die Politiker so schön: Die Architekten sind an allem schuld. Können ja nicht mal eine Entrauchungsanlage richtig zeichnen! Und wenn Architekten auch noch auf ihrem Entwurf beharren wie beim Bau des Berliner Hauptbahnhofs, wo ihnen der damalige Bahn-Chef Mehdorn genüsslich in die Quere kam, dann ernten sie Schimpf und Spott, besonders von selbst ernannten Wirtschaftsexperten, die Architektur ohnehin für teuren Blödsinn halten.

Um Form und Gestaltung geht es beim BER gar nicht mehr.

Dass hinter dem Namen des Architekturbüros 300 Mitarbeiter allein für BER standen, deren Projektvertrautheit und Fachkenntnis mit dem Federstrich der Kündigung als wertlos verworfen wurden, wurde der düpierten Öffentlichkeit erst allmählich bewusst. Das ist nun auch bei den Verantwortlichen des BER-Debakels angekommen.

Um Architektur im engeren Sinne, um die Form und Gestaltung geht es beim Flughafen BER gar nicht mehr; die Bauten sind im Großen und Ganzen fertig. Es geht um Technik, Abläufe, Sicherheit. Es geht um das komplizierte Ineinandergreifen dieser unterschiedlichen Bereiche. Und es geht, wenn denn Ursachenforschung betrieben werden soll, um die 20 000 Planänderungen, die durch immer neue Vorgaben seitens des Bauherrn, nominell der Flughafen Berlin-Schönefeld GmbH, während der laufenden Planung notwendig wurden. Des Bauherren? 

Beim BER kann man die Weisheit des Sprichworts mit Händen greifen, dass viele Köche den Brei verderben. Wowereit verlangt eine Andockstation für den Riesenflieger Airbus A380, obwohl den keine Fluggesellschaft in Berlin einsetzen will? Dass dafür die vorgesehene Aufteilung der Passagierströme geändert werden muss, sollen die Planer bitteschön ausbügeln. Dann wandert die sagenhafte A380-Position das ganze Hauptgebäude entlang, mal hier- und mal dorthin.

Plötzlich reicht der Platz für die Sicherheitskontrollen nicht aus, daran ist natürlich die EU schuld. Zu wenige Check-in-Schalter werden irgendwann gezählt, ungeachtet der Tendenz zum Internet-Einchecken. Wie das kommen konnte? Der gewesene Flughafen-Chef Schwarz wollte mehr Verkaufsflächen, weil die mehr Rendite bringen als der reine Flugbetrieb – das ging zulasten der Check-in-Schalter.

Architekten können nur so gut planen, wie es die Vorgaben des Bauherrn erlauben. Klare Konzepte, Kosten- und Terminvorgaben, damit kommen auch Großprojekte ans Ziel. Andere Länder machen es vor, sogar Griechenland, wo der neue Athener Flughafen rechtzeitig fertig wurde, von einem deutschen Baukonzern errichtet und betrieben. In Deutschland mangelt es an stringentem Vorgehen. Die überlangen Planungs- und Genehmigungszeiten, die beinahe niemals ausgeschöpften Einspruchsmöglichkeiten, die im Laufe der Zeit sich wandelnden Wünsche, oft getreu dem Motto „Der Appetit kommt beim Essen“: all das macht Planung komplex, bis sie irgendwann überkomplex ist und von niemandem mehr beherrscht werden kann.

Das Projekt BER mag, was die Verrenkungen der Politiker und Flughafenvorstände angeht, ein besonders groteskes Beispiel für Missmanagement sein, aber es steht nicht allein. Man denkt an „Stuttgart 21“ und die Elbphilharmonie in Hamburg.

Gerkans Firma hat bewiesen, dass sie Flughäfen bauen kann. Das gute alte West-Berliner Aushängeschild Tegel war der Erstling der Berufsanfänger von Gerkan/Marg. Tegel wurde 1974 im Zeitrahmen fertig und funktioniert weiterhin – ächzend zwar, aber dennoch –, obwohl mittlerweile das Dreifache der ursprünglichen Passagierkapazität bewältigt werden muss.

Seither haben gmp die Flughäfen in Hamburg und Stuttgart neu gebaut und in Frankfurt erweitert, so wie andere Architekten und Planer funktionstüchtige Airports hingestellt haben. Das gilt für Helmut Jahn in Köln/Bonn oder Hans-Busso von Busse und später Koch+Partner in München. Zumal dort gab es anfangs heftige Widerstände, aber ebenso ein klares Konzept. Und es gab, vielleicht am wichtigsten, den politischen Willen, an diesem Konzept festzuhalten. München/MUC ist heute das zweite deutsche Drehkreuz. Ein vergleichbar bedeutendes drittes wird es in Berlin nicht geben. Aber hoffentlich eines Tages einen Flughafen, wie ihn die Architekten geplant haben. Wenn man sie lässt.

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