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© dpa

Berlin-Biennale: Kunstschau im Blues der Bescheidenheit

Sie findet zum fünften Mal statt. Und: Nein, sie will nicht wie all die anderen sein. Die Berlin Biennale sperrt sich – anders als ihre Schwestern rund um den Globus – gegen das Konzept der Vermarktung im internationalen Kulturbusiness.

Sie entstand nicht auf Anordnung eines Kultusministeriums, sondern in Eigeninitiative, „als eine unerhörte Behauptung“, wie der Gründungsvater und langjährige Leiter der Kunst-Werke Klaus Biesenbach bei der gestrigen Pressekonferenz vor der Eröffnung des fünften BiennaleJahrgangs erklärte. Der Begriff Biennale passe eigentlich gar nicht mehr, so auch Hortensia Völckers, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, der 2,5 Millionen Euro zur Unterstützung gab und auch die nächsten beiden Ausgaben 2010 und 2012 mit der gleichen Summe fördern will.

Was ist sie nun, diese alle zwei Jahre stattfindende Ausstellung zeitgenössischer Kunst? 2006 trug sie den Titel „Von Mäusen und Menschen“, diesmal steht sie unter dem Motto „When Things cast no Shadows“. Es ist der Blues der Bescheidenheit, der leise darin anhebt. Nein, machtvolle Positionen, Blendwerk oder solcherart entstandene dramatische Schattenwürfe gibt es nicht in dieser von Adam Szymczyk und Elena Filipovic organisierten Schau. Dagegen ist nichts zu sagen, wenn es gleichzeitig die Möglichkeit zu Neuentdeckungen bietet. Der aus Polen stammende Direktor der Kunsthalle Basel und seine amerikanische Co-Kuratorin aber haben diese Demut so weit verinnerlicht, dass vornehmlich den Ausstellungsorten – Kunst-Werke, Neue Nationalgalerie, Skulpturenpark und Schinkel-Pavillon – ihre Begeisterung gilt. Über die gezeigte Kunst sprechen sie bei der Eröffnung kaum. Sie sagen nur, dass es einen Tagteil gibt – die Ausstellung selbst mit 50 Teilnehmern – und einen Nachtteil mit dem schönen Titel „Mes nuits sont plus belles que vos jours“ mit allabendlichem Programm aus Filmen, Performances und Führungen an einem Dutzend Locations. Vielleicht besteht darin der Clou und die eigentliche Belebung der diesjährigen Berlin Biennale. Mit Sonnenuntergang geht es erst richtig los, dann sind eh alle Katzen grau, und Schatten fallen schon gar nicht.

Das Laute, Schrille, Bunte bleibt diesmal ausgespart. Stattdessen viel Schwarzweiß, nuanciertes Grau. Aus diesen Farbtönen wird politische Kunst gemacht, sie sind das Rüstzeug der Stadterklärer und Geschichtsforscher. Die in den KunstWerken – dem mit 21 Teilnehmern umfangreichsten Ausstellungsort – gezeigten Beiträge kreisen alle um diesen Themenkomplex. Das fängt gleich mit der kompletten Asphaltierung der 400 Quadratmeter großen Haupthalle an: Der türkische Bildhauer Ahmet Ögüt demonstriert mit seinem „Ground Control“ überschriebenen Werk eine besonders perfide Form staatlicher Macht in seiner Heimat. Wie schnell diese Gesten auch ins Leere gehen können, zeigt David Maljkovics Collageserie „Lost Memories from these Days“, mit Fotografien einstiger kroatischer Avantgarde-Architektur und einem Video mit ermüdeten Models, die im Zagreber Weltausstellungsgelände an Autos lehnen.

Wie Mehltau legt sich das politisch Korrekte in der äußerst homogenen, niemals ernsthaft renitenten oder wenigstens humorvollen Ausstellung auf sämtliche Werke. Selbst das sympathische Projekt der Tschechin Katerina Sedá, die in ihrem Heimatort alle Dorfbewohner zur Überwindung ihrer stetig wachsenden Zäune zu animieren versuchte, wirkt nicht einmal mehr poetisch. Vielleicht erweist sich der 154-seitige Bilderroman „Soft City“, den der Norweger Pushwagner zur Hochzeit der linken Politisierung zwischen 1969 und 1975 zeichnete, deshalb als so erfrischend: Er zeigt die Entfremdung des Menschen als bitterbösen Cartoon, nicht nur als mühsame Recherche.

Geschichtenerzähler wollen Szymczyk und Filipovic mit ihrer Biennale sein. Und vergessen dabei den Spannungsbogen – und ihr Publikum.

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