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Blumenkränze gab's gratis auf dem Berlin Festival.

© Britta Pedersen/dpa

Berlin Festival 2015: eine Bilanz: Drei Nächte wach

Das Berlin Festival verwandelte das Gelände der Arena Treptow in eine große Club-Hopping-Zone. Die Musik-Mischung überzeugte, der Zwang zum bargellosen Bezahlen nervte.

Am Ende gab’s dann doch noch mal ein bisschen Aufregung. War das Berlin Festival zwei Tage lang bei gutem Wetter völlig reibungslos verlaufen, musste das vorletzte Konzert im Glashaus am dritten Tag abgebrochen werden. Feueralarm! Alle raus. Ging aber auch wieder völlig reibungslos vonstatten, und das Konzert von Róisín Murphy in der Arena war ohnehin spannender als der Auftritt von Shlohmo. Die Irin, die gerade ein tolles Avantgarde-Electro-Album herausgebracht hat, erwies sich als perfekte Wahl für das neu ausgerichtete Festival in Treptow: Mit ihrer fünfköpfigen Band verwandelte sie die Halle in einen Club, brachte die schon etwas abgekämpfte Menge mit House und Disco-Funk noch einmal in Bewegung – und mit ihren seltsamen Kopfbedeckungen, bunten Kleidern sowie einem Stoffbär-Tanzpartner auch zum Grinsen.

Die Idee, das Festival in eine große Club-Hopping-Zone zu verwandeln, ist aufgegangen. Konsequenterweise liegt der Fokus jetzt auf elektronischer Musik – Indie-Rockbands wie die Editors, die bei der letzten Ausgabe einen grausigen Auftritt in der Arena hatten, vermisst man wirklich nicht. Stattdessen war James Blake am Samstagabend die Hauptattraktion. Er spielte ein fantastisches Set, bei dem er neue Songs ausprobierte, darunter eine spannungsreiche House-Nummer, die gut ankam. Blake zeigte sich erfreut, „gerade hier eine solche Reaktion“ zu bekommen.

Gelungene Mischung von aktuellen Acts und Altstars

Berlin, die Techno- und Housemetropole – genau das versucht auch das Festival zu spiegeln und zu feiern. Weil die beste Clubmusik derzeit aus England kommt, war neben heimischen DJs wie Westbam und Fritz Kalkbrenner sowie lokalen Kräften in den kleinen Locations (prima: das vom Schwuz betreute Love Boat auf der Hoppetosse) allerdings viel importierte Qualität nötig. Insgesamt stimmte die Mischung aber – auch zwischen jungen Acts wie Kelela oder Rudimental und Altstars wie Underworld oder Carl Craig.

Rósín Murphy bei ihrem grandiosen Auftritt auf dem Berlin Festival.
Rósín Murphy bei ihrem grandiosen Auftritt auf dem Berlin Festival.

© Britta Pedersen/dpa

Bei den größtenteils recht jungen 15000 Besucherinnen und Besuchern, die oft mehr mit sich selbst beschäftigt waren als mit der Musik, schien das neue Konzept gut anzukommen. Eine hübsche Selfie-Kulisse ist das Gelände an der Spree ja zum Glück auch. Wer wollte, konnte sich mit Gratis-Blumenkränzen und Schwarzlicht-Schminke verschönern.

Die Besucher werden zum bargeldlosen Bezahlen genötigt

Man könnte den Festivalmachern zum gelungenen Relaunch des vom September in den Mai verlegten Events gratulieren, wären da nicht die Nötigungen des erstmals auf einem deutschen Festival eingeführten bargeldlosen Bezahlsystems. Es zwingt nicht nur zu zusätzlichem Schlangestehen und ständigen Abwägungen, wann man wie viel auf den ins Einlassbändchen integrierten Chip lädt, sondern dürfte auch zu einer netten Restbetrag- Geschenksumme für das Festival geführt haben. Denn um die Pfand-Euros, die auch auf den Chip gebucht werden, auszugeben, muss man sein Konsumverhalten schon sehr genau kalkulieren oder bereit sein, die Erstattung des Betrags im Netz abzuwickeln, wobei man den Organisatoren unweigerlich ein Datenpaket inklusive Trinkverhalten-Profil auf dem Festival überlässt. Die Markforschungsabteilungen der Getränkekonzerne wird es freuen, datenbewusste Musikfans nicht. Das perfide Cashless-Zwangssystem setzt sich hoffentlich nicht durch. Dass am Finaltag um Mitternacht in der Arena kein Pfand mehr erstattet werden konnte und verzweifelte Barfrauen an irgendwelche anderen Counter verwiesen, spricht auch nicht gerade dafür.

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