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Die Popbeauftragte des Berliner Senates Katja Lucker.

© Thilo Rückeis

Berlin Music Week: Eine Löwin im Direktorenhaus: Katja Lucker

Musicboard-Chefin Katja Lucker ist Berlins Popbeauftragte. Sie versucht, mit wenig Geld viel zu bewegen. Eine Begegnung.

Katja Luckers Büro ist leer geräumt. Die „Illustrative“ findet hier im Direktorenhaus in Mitte statt, ein jährliches Design- und Illustrationsfestival. Das war der Deal beim Einzug, erklärt Lucker. Sie durfte sich mit ihrem kleinen Team Anfang des Jahres als frischgebackene „Musikbeauftragte des Landes Berlin“ in dem unsanierten Haus in unmittelbarer Nähe zum Nikolaiviertel und genügend Abstand zum Roten Rathaus einnisten. Eine Bedingung war: Einmal im Jahr mus sie zwei Wochen lang der Kunst weichen. Jetzt sitzt Lucker halt im Büro ihrer Assistentin, die sich ihren Arbeitsplatz derweil im Nebenzimmer eingerichtet hat.

Der Schreibtisch, hinter dem sich die Frau Anfang 40 mit ihrer mächtigen Lockenmähne ausgebreitet hat, ist kein Designerstück. Er stammt aus dem Keller des Roten Rathauses. Sämtliche Möbel sind Schenkungen und sehen nach Amtsstube aus, höchstens das gerahmte Foto von Serge Gainsbourg an der Wand erinnert daran, dass man sich gerade in so etwas wie einem „Popbüro“ befindet. Lucker sagt: „Ich will das Geld, das mir zur Verfügung steht, lieber in die Kunst stecken als in die Einrichtung der Büros.“

Berlin hat mit dem „Musicboard“, dem Katja Lucker vorsteht, seit dem Dezember 2012 eine zentrale Anlaufstelle für alle Belange rund um das für die Stadt nicht unwichtige Thema Pop- und Rockmusik. Aber ein großzügiges Budget wird der neuen Institution noch nicht zugestanden. Eine Millionen Euro darf Lucker jährlich verteilen. Davon wird auch ihr kleines Team bezahlt.

Was sich der Senat vom Musicboard verspricht, ist relativ klar. Es soll die Musikszene der Stadt unterstützen und die Marke Berlin, die von dieser Szene profitiert, stärken. Wie dieses Vorhaben genau umzusetzen ist, ist schon weniger klar. Gut, man hat Fördergelder zu verteilen und gerade ein neues Stipendiatenprojekt eingerichtet. Aber die Berliner Musikszene ist groß und vielfältig, überall gibt es Probleme mit Clubs, die Investorenträumen weichen müssen. Die viel beschworenen „Freiräume“ schwinden, die meisten Musiker leben in prekären Verhältnissen. Mit dem Geld, das Lucker zur Verfügung steht, kann sie manches Musikprojekt zum Glänzen bringen. Aber darüber hinaus?

Noch ist Katja Lucker in einer Phase, in der sie sagen kann: Mal sehen. Sie will erst mal allen zeigen: Wir sind jetzt auch da. „Ich will, dass die Leute denken: Ach, die Lucker kann ich auch mal auf dem Handy anrufen und fragen, wie man so einen Förderantrag ausfüllt.“ Es sei ein „unglaublich vielfältiger Leidenschaftsjob“, den sie da angenommen habe. Konzerte und Clubs besuchen, irgendwie gehört ja auch das zu ihrem Job, bei dem sich sowieso nur schwer sagen lässt, wo genau er anfängt und wo er aufhört. Ständig trifft sie Leute, einen Clubbetreiber, jemanden vom Goethe-Institut oder einen Repräsentanten aus der Privatwirtschaft, sie wirbt um Drittmittel, die ihr bei der Finanzierung von Projekten nützlich sein könnten.

Berthold Seliger, Konzertveranstalter und kritischer Beobachter des Popbetriebs, hat gerade ein Buch geschrieben, in dem er das, was Lucker macht, heftig kritisiert. Die Politik solle sich raushalten aus dem Pop, alles andere führe zu „Staatspop“ und raube diesem auch den letzten Rest von subversivem Anspruch. Mit Seeliger habe sie sich vor kurzem zum Gespräch getroffen, sagt Lucker, man habe sich ganz gut unterhalten.

Auch Ran Huber, der mit „Am Start“ eher kleine Konzerte veranstaltet, hat die Gründung des Musicboards voller Sorge beobachtet. Sein Misstrauen galt vor allem dem Beirat der Institution, einem Gremium, das mitentscheidet, wer und was in Berlins Musiklandschaft gefördert wird. Im Beirat sitzen Leute wie Tim Renner von der Firmengruppe Motor und ein Vertreter der Hörstmann Unternehmensgruppe, die unter anderem für das „Berlin Festival“ zuständig ist. Huber hatte Angst, dass der Beirat das Musicboard für eigene Zwecke instrumentalisierten könnte. Lucker konnte ihn beruhigen. Hubers „Down by the River“-Festival wurde in diesem Jahr unterstützt.

Vor ihrem Job beim Musicboard hat Katja Lucker als Kulturmanagerin gearbeitet, unter anderem für die Kulturbrauerei, den Karneval der Kulturen und das Haus der Berliner Festspiele. „Ich habe schon viele Sachen gemacht, aber das hier ist das Coolste“, findet sie. Dass im Erdgeschoss des Direktorenhauses die Band Bonaparte ihren Proberaum hat, erwähnt sie nicht ohne Stolz. Ihr Budget mag gering sein, aber sie scheint das Gefühl zu haben, etwas bewegen zu können. Gerade hat sie den Betreibern des kürzlich vollständig ausgebrannten Festsaals Kreuzberg 20 000 Euro Wiederaufbauhilfe versprochen. Schnell und unkompliziert, so etwas geht plötzlich in Berlin.
Katja Lucker diskutiert am Donnerstag, den 5.9., 16 Uhr bei der „Word“-Konferenz im Postbahnhof über das Thema „Pop im Kiez – Ein Auslaufmodell“ und am 6.9., 14 Uhr über „Moderne Künstlerinnenförderung in der Popmusik“.

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