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Stefan Lehmkuhl, künstlerischer Leiter des Berlin Festivals.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin Music Week: „Wir wollen Berlin-Flair statt Flughafenkulisse“

Morgen startet die Berlin Music Week. Ihr Herzstück, das Berlin Festival, zieht mit neuem Konzept in den Arena Park. Wie es dazu kam und was neu ist, erklärt der künstlerische Leiter Stefan Lehmkuhl.

Die Berlin Music Week ist eine Veranstaltung, bei der ständig die Orte und Formate wechseln. Nur das Berlin Festival war stets ein Stabilitätsgarant auf dem Tempelhofer Feld. Jetzt hat es sich anstecken lassen und zieht in die Arena. Wieso?

Eigentlich passt das ganz gut zum Berlin Festival, denn dies ist ja nicht der erste, sondern bereits der vierte Umzug. Außerdem passt das auch zu Berlin, wo es häufig die Situation gibt, dass etwas ausprobiert wird und dann woanders weitergeht – entweder weil eine Zwischennutzung zu Ende geht, oder weil man einen Ort gefunden hat, an dem sich die eigenen Ideen besser realisieren lassen. So war es auch in unserem Fall. Wir haben nichts gegen den Flughafen Tempelhof, aber im Arena Park sind wir jetzt an einem Ort, den wir geeigneter finden für unsere Vorstellungen des zukünftigen Berlin Festivals.

Ein bisschen kurzfristig kam die Umzugsankündigung vier Wochen vor dem Festival aber doch.

Für uns nicht. Schon Anfang des Jahres haben wir beschlossen, diesmal etwas anders zu machen. Wir hatten 2013 zwar sehr positives Feedback von Medien und Publikum, aber für uns ist die Rechnung nicht aufgegangen. Wir waren unzufrieden, weil es mehr ein großes Konzert vor der Tempelhofer Kulisse war als ein aufregendes, heterogenes Festival, das den Namen Berlin Festival verdient. Deshalb haben wir uns entschieden, kleinteiliger zu werden: mehr Floors, 48 Stunden, ein Fokus auf Berliner Bands. Deshalb wollten wir nach Kreuzberg gehen. Ich habe das Festival dann schon mit der Arena vor meinem geistigen Auge gebucht. Wir haben dennoch Tempelhof angekündigt, weil es so aussah, als hätten wir keine andere Wahl. Die Behörden haben lange mit den Genehmigungen gezögert.

Mit dem Locationwechsel büßt das Festival einen Teil seiner Anziehungskraft ein. Das Flugfeld ist einfach eine Attraktion für sich. Was hat der Arena Park, um das aufzuwiegen?

Tempelhof ist toll für eine große Bühne, in deren Hintergrund dann das imposante Gebäude zu sehen ist. Für ein Festival mit vielen Bühnen eignet es sich weniger, weil man zwischendrin viel monotone Asphaltfläche und graue Wände hat. Wenn auch noch graue Wolken dazukommen, hat es sogar fast etwas Bedrohliches. Der Arena Park ist mit der Spree, dem Badeschiff, der Arena selbst, mit Clubs und Restaurants viel abwechslungsreicher und repräsentiert die Stadt besser. Wir haben Berlin-Flair gegen Flughafenkulisse getauscht.

Das Berlin Festival hatte meist um die 20 000 Besucherinnen und Besucher. Drei Mal so viele hätten auf dem Flugfeld Platz. War das Festival zu klein für Tempelhof?

Um das Areal effektiv zu bespielen, hätten wir auf große Mainstream-Headliner setzen müssen. Da hat man allerdings eine sehr begrenzte Auswahl von Acts, die diese Fläche füllen können. Man kann natürlich hingehen und Robbie Williams oder Iron Maiden buchen. Doch aus unserer Sicht hätten solche Künstler das Berlin Festival letztlich überstrahlt. Die Frage ist zudem, wie sie dann zum Rest des Line-ups passen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, in die Breite zu gehen: vom Alternative-Headliner über einen großen Techno-Act bis hin zur Berliner Hip-Hop-Band.

Mit Blur, Björk und den Pet Shop Boys waren die großen Namen im vergangenen Jahr auf dem Berlin Festival vertreten. Ein bisschen fehlen solche Bands jetzt schon.

Wie man’s nimmt. Das sind natürlich alles Legenden, aber es ist nicht gesagt, dass sie deshalb eine größere Strahl- und Zugkraft haben. Wir hatten zum Beispiel 2013 weniger Besucher als im Jahr davor, als die Killers und Paul Kalkbrenner die Headliner waren. Und diesmal werden insgesamt nicht weniger Menschen zum Berlin Festival kommen als im letzten Jahr.

Mit dem First We Take Berlin Festival, das zum zweiten Mal stattfindet, gibt es ein weiteres zweitägiges Festival bei der Music Week. Sie kooperieren zwar, aber ist das nicht Konkurrenz im eigenen Haus, die Ihnen Zuschauer wegschnappt?

Das sehe ich eher umgekehrt: Wir bieten den Berlin-Festival-Besuchern einen Mehrwert, denn die ersten Ticketkäufer können gratis zum First We Take Berlin Festival. Das ist vor allem für Nicht-Berliner ein interessantes Angebot. Man kann Donnerstag in die Stadt kommen, hat zwei Tage lang Zutritt zu zehn relevanten Clubs und kann dann auf dem Berlin Festival weitermachen. Es ist aber auch deshalb keine Konkurrenz, weil dort vor allem Newcomer vorgestellt werden.

Hip-Hop und Techno spielen eine größere Rolle auf dem Berlin Festival

Stefan Lehmkuhl, künstlerischer Leiter des Berlin Festivals.
Stefan Lehmkuhl, künstlerischer Leiter des Berlin Festivals.

© Doris Spiekermann-Klaas

Musikalisch war das Berlin Festival immer zwischen Electro-Pop und Indierock angesiedelt. Hip-Hop-Headliner wie die Beginner waren eine Ausnahme. Dieses Jahr bewegt sich das Festival allerdings deutlich in die Rap-Richtung. Wie kommt’s?

Weil es ignorant wäre, momentan an dem Genre vorbeizubuchen. Und es ist ja auch nicht mehr so, dass sich die Genres nicht vertragen. Deshalb haben wir tagsüber eine eigene Hip-Hop-Bühne, die von den Kollegen vom Splash-Festival kuratiert wird und nachts den Muschi-Kreuzberg- Floor im Glashaus. Aber auch Techno spielt eine größere Rolle, weil wir jetzt die Clubs haben und das gut zum 48-Stunden- Aspekt passt. In Berlin ist es einfach wichtig, auch morgens um 8 noch zu Techno tanzen oder rumlungern zu können. Es ist eine Konzepterweiterung des Festivals.

In den letzten Jahren sind immer mehr Festivals entstanden. Es gibt im Sommer kein Wochenende ohne großes bis mittelgroßes Festival. Wie kann man da bestehen?

Indem man mehr anbietet, als nur eine Bühne mit ein bisschen Gastronomie drumherum. Denn das gibt es gerade in Berlin ohnehin schon den ganzen Sommer lang bei den großen Konzerten in der Wuhlheide, Zitadelle oder Waldbühne. Um den Namen Festival zu verdienen, muss man über das reine Musikangebot hinausgehen. Wir haben zum Beispiel das Art Village. Auch der Partyaspekt ist wichtig und eine Atmosphäre, die es erlaubt, den Alltag zu vergessen.

Gibt es zu viele Festivals in Europa?

In Europa gab es schon immer eine große Festivallandschaft, in der man ganz gut nebeneinander existieren konnte. Aber jetzt kommen zunehmend die USA und Südamerika dazu, und es wird nicht mehr lange dauern, bis auch Asien einsteigt. Das ist ein großes Problem fürs Booking, denn dafür gibt es nicht genügend Bands. An einem Wochenende kann man eben nicht in den USA und in Europa auftreten.

Merkt man das auch an den Gagen?

Ja, es ist eine nicht enden wollende Aufwärtskurve.

Was verdient ein Headliner in etwa?

Das kommt auf die Größenordnung des Festivals an. Bei der Tempelhofer Variante bewegte sich das etwa im Wert von mehreren Luxuslimousinen und bei kleineren Festivals sind es dann nur ein bis zwei Luxuslimousinen.

Könnte es nach dem Festivalboom zu einem Festivalsterben kommen? Das Greenville Festival in Paaren wurde dieses Jahr schon abgesagt.

Das hatte, glaube ich, nichts mit dem Festivalmarkt im Allgemeinen zu tun. Ich werde das schon seit zehn Jahren gefragt und sage immer: Etablierte, gut gemachte Festivals werden keine Probleme bekommen. Ich sehe kein Festivalsterben, der Markt ist gesund. Es gibt höchstens Festival-Neugründungen, die von Anfang an auch aus Publikumssicht keinen Sinn haben und dann abgesagt werden.

Das Gespräch führte Nadine Lange

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