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Kultur: Berlin vor der Wahl: Ein einmaliger Vorgang

Im Berliner Wahlfieber gerät beinahe in Vergessenheit, warum nach zwei Jahren schon wieder ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wird. Es hat damit zu tun, dass die Große Koalition im Juni wegen der brisanten Mischung aus CDU-Parteispendenaffäre, Bankenkrise und Haushaltskrise platzte und der PDS-gestützte rot-grüne Minderheitssenat mit dem Willen zu vorgezogenen Neuwahlen antrat.

Im Berliner Wahlfieber gerät beinahe in Vergessenheit, warum nach zwei Jahren schon wieder ein neues Abgeordnetenhaus gewählt wird. Es hat damit zu tun, dass die Große Koalition im Juni wegen der brisanten Mischung aus CDU-Parteispendenaffäre, Bankenkrise und Haushaltskrise platzte und der PDS-gestützte rot-grüne Minderheitssenat mit dem Willen zu vorgezogenen Neuwahlen antrat. Die spannende Frage ist, ob die Wähler am 21. Oktober Rot-Grün pur beglaubigen oder ob es eine Dreier-Koalition mit der PDS oder der FDP gibt.

Das Unheil für die CDU nahm seinen Lauf, seit am 8. Februar der CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, der als Bankchef der Berlin Hyp für die Immobiliengeschäfte unter dem Dach der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft zuständig war, die unselige Bar-Spende von CDU-Freunden und Kreditnehmern der Berlin Hyp eingestand. Parteispenden sind normal, aber hier waren eben die Umstände schmuddelig, wie sich nach und nach herausstellte. Diese zwei Mal 20 000 Mark hat Landowsky 1995 bar in der Bank entgegengenommen. Der CDU-Schatzmeister Dankward Buwitt holte das Geld in der Bank ab. Die Sache wurde so verschleiert, dass keine einzige Mark durch die CDU-Bücher ging. Buwitt war auch noch Aufsichtsrat der Berlin Hyp.

Labil war die Koalition sowieso

Die 700-Millionen-Mark-Kredite der beiden Spender und Aubis-Geschäftsführer waren inzwischen Not leidend, die Bankgesellschaft und ihre Töchter gerieten in die Negativschlagzeilen, Landowsky als mächtigster CDU-Mann neben dem Regierenden Bürgermeister Diepgen stand in der Schusslinie.

Es war kein Wunder, dass die Koalition wackelte, sie war sowieso labil. Die SPD meinte, sie hätte die Wahlen 1995 und 1999 wegen der Großen Koalition so schmerzhaft verloren; sie wollte raus. Nun sah sie den öffentlich nachvollziehbaren Anlass gekommen. Doch zunächst zögerte sie, denn der Machtwechsel war nur um den riskanten Preis der Unterstützung durch die PDS zu haben. Diepgen konnte die zuerst schleichende, dann galoppierende Krise auch nicht mehr steuern. Landowsky erklärte seinen Rücktritt als Bankchef per 23. Mai. Nun verlangte die SPD auch seinen Abgang als Fraktionschef als Voraussetzung für den Fortbestand der Koalition. Also wurde Frank Steffel im Mai Fraktionschef. Damit schien die Krise überwunden. Nun regte es die SPD auf, dass Diepgen seinen Freund Landowsky zum Vize-CDU-Chef machte. Und eine Hiobsbotschaft kam hinzu: Die Bankgesellschaft brauchte vier Milliarden Mark. Zur ewigen Haushaltsnot kam die akute Haushaltskrise; der Senat musste die Neuverschuldung 2001 um vier Milliarden für die Bank und weitere zwei Milliarden Mark wegen anderer Defizite auf mehr als neun Milliarden Mark erhöhen.

Mit fliegenden Fahnen

Plötzlich nutzten PDS, Grüne und FDP den Volkszorn. Sie sammelten Unterschriften für die Auflösung des Abgeordnetenhauses zwecks Neuwahlen. Und die ganze Bankenkrise und Spendenaffäre wurden zum Fall für den Staatsanwalt und einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das alles veranlasste die SPD, mit fliegenden Fahnen die ungeliebte Koalition nach gut zehn Jahren zu verlassen. In der Koalitionsrunde aus Anlass der Etatnöte kündigte sie das Bündnis in der Nacht zum 7. Juni auf. Am 16. Juni wurden mit Hilfe der PDS Eberhard Diepgen und die CDU-Senatoren im Parlament gestürzt und der rot-grüne Minderheitssenat mit Klaus Wowereit an der Spitze gewählt, ein einmaliger Vorgang in Berlin. Die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses für Neuwahlen war am 1. September nur noch Formsache.

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