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mafrouza

© Berlinale

Berlinale: Der Himmel über Kairo

Ägyptische Filme in Panorama und Forum: In "Genenet al asmak" und "Mafrouza" könnten die Unterschiede der gesellschaftlichen Schichten nicht deutlicher sein. Armut und so genannte Luxusprobleme bestimmen die Szenerie.

Leicht kratzig und dabei energisch ist Lailas Stimme. Wenn die Moderatorin nachts in einer Radio-Beratungssendung ihre Gesprächspartner zum Reden animieren muss, daber aber auch in ihre Schranken weist, klingt sie verbindlich und schroff zugleich. Lailas Sendung ist Kult in Kairos wohlhabender Mittelschicht, aus der auch die Anrufer stammen: Sie haben nämlich Zeit, sich um ihre Liebes- und Sexprobleme zu kümmern, da sonst alles in bester Ordnung ist.

In der wunderbaren Eröffnungssequenz von „Genenet al asmak“, den Yousry Nasrallah, ehemals Assistent des großen ägyptischen Regisseurs Youssef Chahine, drehte, sieht man eine Promenade am Nil. Festlich beleuchtete Ausflugsboote tuckern unterm Sternenhimmel dahin, während am Ufer Paare knutschen, Männer trinken, Touristen und Passanten flanieren und das Ganze ein bisschen nach Paris aussieht. Groß wird der Unterschied tatsächlich nicht sein zwischen den gebildeten, westlich orientierten, gut verdienenden Kairoern um die Vierzig und ihresgleichen in Paris oder einer beliebigen anderen Metropole.

Zu Lailas Stammhörern gehört der Arzt Youssef, der als Anästhesist tagsüber im Krankenhaus arbeitet und nachts, weil er nicht schlafen kann, in einer Abtreibungsklinik. Youssefs Vater ist sterbenskrank, dennoch mäkelt er wie eh und je an seinem Sohn herum. In einer langen Szene erklärt er, wie ein ordentlich gebundenes Schuhband auszusehen habe: Die Schleife müsse mitten auf dem Fuß sitzen, dürfe nicht verrutschen wie bei Youssef, der stets mit übergeschlagenen Beinen knotet, daran erkenne man die Versager.

Währenddessen kämpft Laila mit einer Zensorin, und zwischendurch treten Nebendarsteller quasi neben ihre Figuren, erläutern ihre Rollen, und man erfährt viel über das Leben der Reichen und Schönen. Dass sich Laila und Youssef schließlich treffen, scheint zwangsläufig, und immer noch tuckern die Ausflugsboote über den Nil. . .

Und während die einen in ihren großzügigen, hellen, elegant eingerichteten Appartements der wohlhabenden Vororte Kairos leben, hausen die anderen als Großfamilien auf wenigen Quadratmetern in den Lehmhütten der Slums von Alexandria. Die fünfteilig angelegte Dokumentation „Mafrouza“ der französischen Filmemacherin Emmanuelle Demoris zeigt eine andere Seite der ägyptischen Gesellschaft, und man glaubt kaum, dass die Protagonisten der beiden Filme im selben Land leben, so unüberwindbar scheinen die Gegensätze.

Die jungen Männer schlendern in Trainingsklamotten durchs Viertel, zwei ältere Frauen bauen einen Ofen auf einer Müllhalde. Die Kamera sieht ihnen so lange zu, bis sie ihr Werk aus Steinen, mit Schmutzwasser angerührtem Lehm und zerbeulten Blechen beendet haben, dabei gegen Rückenbeschwerden und Kurzatmigkeit ankämpfend. Während der Arbeit sprechen sie davon, wie schmackhaft der Fetir, die gefüllten Teigtaschen, sein werden, die sie darauf zubereiten wollen.

Emmanuelle Demoris hat auch einen Ehestreit protokolliert, der mit der tatkräftigen Hilfe einer energischen Nachbarin zu einem guten Ende führte. Und sie zeigt, wie Christen und Muslime friedlich miteinander leben: Nicht die Religion schafft Grenzen, sondern die ökonomischen Verhältnisse. Man wird den Bewohnern dieses Viertels nicht zum letzten Mal begegnet sein im Forum der Berlinale.

„Genenet al asmak“: Heute 20.15 Uhr (Cubix 7 & 8); „Mafrouza“: Heute 20 Uhr (Cinestar 8), 16. 2., 17.30 Uhr (Arsenal); 17. 2., 13 Uhr (Delphi)

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